Baustelle der Zukunft: digital, elektrisch, autonom
Die ersten praktischen Versuche dazu laufen bereits, gleichzeitig geht die Standardisierung – trotz anfänglicher Hürden – voran. Gesetzgeber und Verbände beginnen, entsprechende Normen und Richtlinien zu erlassen. Darüber tauschten sich 70 Vertreterinnen und Vertreter von Maschinenherstellern, Baufirmen und Verbänden am 21. Mai bei der Veranstaltung „Baustelle der Zukunft“ des oberösterreichischen Automobil-Clusters in der BAUAkademie Oberösterreich in Lachstatt aus.
Einer der Trends ist die Elektrifizierung der Baustelle. Grundtenor: Sie hat auf allen Ebenen – auch bei Normen und Vergaberichtlinien – Serienreife erreicht. Im Moment setzen in der Praxis vor allem öffentliche Auftraggeber auf die elektrifizierte Baustelle, private Akteure reagieren noch zurückhaltend. Eine aktuelle RVS-Richtlinie der Forschungsgesellschaft Straße – Schiene – Verkehr enthält Vorschläge für Qualitätskriterien bei Bestbieter-Vergabeverfahren im Verkehrswegebau. Infrastruktur-Auftraggeber wie ASFINAG, Wiener Linien und ÖBB wenden diese vor allem ökologischen Zuschlagkriterien bei Ausschreibungen bereits verstärkt an.
Auch die vom Fachverband der Bauindustrie ab Juni 2025 herausgegebene Neuauflage der Baugeräteliste, dem Standardwerk für die Verrechnung von Gerätekosten und Gerätedisposition, berücksichtigt bereits zahlreiche Neuentwicklungen mit elektrischen Antriebsvarianten, wie der stv. Geschäftsführer der Geschäftsstelle Bau der WKO Peter Scherer erklärte:
„Die Baugeräteliste 2025 erscheint am 1. Juni 2025. Sie wurde von einer Vielzahl von Expertinnen und Experten aus der Praxis aktualisiert und inhaltlich umfangreich erweitert. Insbesondere technische Innovationen durch elektrische Antriebsalternativen können, selbst wenn am Markt noch kaum verfügbar, in der BGL 2025 bereits abgebildet werden.“
Oberösterreichische Unternehmen profitieren von diesen Entwicklungen. So hat MIBA Battery Systems in Bad Leonfelden mobile Ladelösungen entwickelt und erprobt, die einerseits das Dieselaggregat auf Baustellen ersetzen und andererseits als mobile „E-Tankstelle“ für diverse Baumaschinen und Bagger dienen. Ein – sehr willkommener – Nebeneffekt ist, dass mobile Stromspeicher auch den Stromspitzenbedarf leistungsstarker Geräte wie Kräne glätten können und Baustellen so – trotz wachsender Elektrifizierung - mit niedrigeren Anschlussleistungen auskommen.
„Mit der VOLTSTATION®, unserem mobilen Energiespeicher, leisten wir einen konkreten Beitrag zur Elektrifizierung von Baustellen – vom energieeffizienten Betrieb von Baukränen über den Einsatz auf innerstädtischen Kleinbaustellen bis hin zur Integration in Fahrzeuge im Dienstleistungsbereich. Mobile Speicher ersetzen zunehmend Dieselaggregate und unterstützen so aktiv die Erreichung der Klimaziele 2030“, betonte Stefan Gaigg, Managing Director bei Miba Battery Systems.
Eines jener Unternehmen, das die Einrichtung elektrifizierter Baustellen in den vergangenen zweieinhalb Jahren systematisch getestet hat, ist Swietelsky.
„Es kommt zu Anpassungen der Baustellenprozesse. Für die breite Umsetzung ist es wichtig, dass erkennbare positive Effekte immer Hand in Hand mit zumindest gleichbleibender Produktivität und ökonomischen Vorteilen gehen. Bei mittleren und großen Baugeräten werden wir eine weitere Differenzierung von Energieträgern sehen. Neben Elektrogeräten werden alternative Kraftstoffe und Wasserstoff an Bedeutung gewinnen“, berichtete Innovationsleiter Leopold Winkler.
Das Bauunternehmen sieht seit dem Inkrafttreten der RVS-Richtlinien eine gestiegene Nachfrage nach einer emissionsfreien Ausstattung von Baustellen.
Neben neuen Antriebssystemen ist der Einsatz von Maschinen mit Assistenz- oder Autonomiefunktionen ein weiterer Trend. Eine der Haupttriebfedern dabei ist, dem Fachkräftemangel und den steigenden Lohnkosten entgegenzuwirken sowie Arbeitsqualität und -sicherheit zu optimieren.
Das AIT Austrian Institute of Technology untersucht gemeinsam mit dem Automobil-Cluster, der PALFINGER AG, der DigiTrans GmbH und der Anwaltskanzlei Eustacchio im Projekt GUARDIAN („Safety-GUaranteed Autonomous opeRation for machinery under DIverse Area coNditions“), wie automatisierte Maschinen sicher und zuverlässig im öffentlichen Raum agieren können und welche Standards für Sicherheit und Verlässlichkeit erforderlich sind. Während in China oder in den USA Unternehmen selbst zertifizieren können, geht es in Europa und damit Österreich darum, ein striktes und sicheres Regelwerk an neue Technologien anzupassen, um den Weg für einen produktiven Einsatz autonomer Maschinen im Außenbereich zu ebnen. PALFINGER arbeitet an autonomen Staplern und Kränen, die im öffentlichen Raum zum Einsatz kommen dürfen – hier sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen noch im Aufbau. Das AIT erprobt die Geräte in seinem Large-Scale Robotics Lab – dem Outdoor-Testgelände für autonome Arbeitsmaschinen.
„Neue Technologien in der Robotik und Sensorik eröffnen uns spannende Möglichkeiten, die Arbeit mit unseren Hebelösungen noch sicherer und effizienter zu gestalten. Was wir heute bereits für das Forst- und Offshore-Segment entwickeln, wollen wir künftig auch in der Baubranche einsetzen – mit intelligenten Assistenzsystemen, die Menschen gezielt unterstützen und entlasten“, sagte Sebastian Wimmer von der PALFINGER AG.
Patrik Zips, Projektleiter am AIT Center for Vision, Automation & Control ergänzte:
„Mit dem Projekt GUARDIAN wollen wir die Technologien für autonome Arbeitsmaschinen im Einklang mit den rechtlichen Rahmenbedingungen weiterentwickeln, um realisierbare Standards zu empfehlen und deren Prüfvorgänge zu entwickeln. Ziel ist, dass die autonomen Maschinen im Alltag, d. h. auch unter schwierigen Witterungsverhältnissen und Arbeitsbedingungen, zuverlässig eingesetzt werden können.“
Bis die jetzt entwickelten und getesteten autonomen Stapler und Kräne aber tatsächlich zum Einsatz kommen, werden noch einige Jahre vergehen.
Die grundsätzliche Strategie sieht bei den meisten Herstellern ähnlich aus: Zuerst werden alle Geräte mit einem elektronischen „Betriebssystem“ ausgerüstet, das die Basis für alle Folgeschritte bildet. Danach folgen Assistenzsysteme und Fernbedienung, entweder direkt neben der Maschine (in sicherem Abstand), oder weiter entfernt von einem Leitstand aus. Bestimmte, sich wiederholende Schritte kann dann die Maschine schon selbstständig abarbeiten und werden nur mehr überwacht. Diese Fernsteuerung kann sogar aus Tausenden Kilometern Entfernung erfolgen: Beispielsweise ließ Liebherr seine Kunden bei einer Messe von Las Vegas aus einen Radlader im 9.000 Kilometer entfernten Tirol steuern.
Erst der letzte Schritt wird dann ein vollautonomer Betrieb von monotonen Arbeitsschritten in einer definierten Umgebung sein, beispielsweise die Schüttverladung in einem Hafen oder der Transport von Erz in einer Mine zu einem Brecher. Erste Testanwendungen dazu starten noch heuer – auch in Österreich.
„Die Strategie seitens Liebherr ist, den Kunden für jedes Einsatzszenario maximale Unterstützung zu bieten. Je nach Applikation lösen wir das mit einer Fülle an verfügbaren Assistenzsystemen, verschiedenen Fernsteuerungslösungen und – für den geeigneten Einsatz – in naher Zukunft auch den voll-autonomen Maschinenbetrieb“, berichtete der verantwortliche Entwicklungsleiter bei Liebherr, Manuel Bös.
Für Österreich und seine Baustellen bedeutet das, dass die Geräte noch länger so aussehen wie jetzt. „Wir rechnen damit, dass ungeplante und spontane Tätigkeiten weiterhin manuell ausgeführt werden, zum Beispiel Schneeräumung vor Baubeginn. Danach können mittelfristig – sobald es die gesetzlichen Rahmenbedingungen zulassen – einzelne Prozessschritte wie zum Beispiel ein vordefinierter Erdaushub oder das Verladen einer bestimmten Schottermenge autonom passieren“, sind Manuel Bös (Liebherr) und Christian Kröpl von Wacker Neuson überzeugt.
Immer wichtiger werden dabei Schnittstellen zu anderen Software-Instrumenten, zum Beispiel Building Information Systems, die in Echtzeit die Daten zum Arbeitsfortschritt überwachen. Ziel der Autonomiebestrebungen ist, die Bedienung so einfach und intuitiv wie möglich zu gestalten, auch für Personal ohne vertiefte IT-Kenntnisse. Zielgruppe aller Hersteller sind nicht nur Großunternehmen, sondern explizit auch kleine und mittelständische Unternehmen.