„Wir brauchen eine Künstliche Intelligenz, die die menschliche Intelligenz komplementiert, nicht kopiert.“ Diesem Zitat von JKU-Professor Alois Ferscha haben die Vortragenden bei der Session „Digitale Transformation“ beim OÖ Zukunftsforum zugestimmt. Denn die Zukunft gehört Produkten und Produktionsmethoden mit kognitiven Fähigkeiten. Dafür forscht die Wissenschaft an Algorithmen, die den Menschen miteinbeziehen. So können neue Technologien optimiert werden und zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. 400 Interessierte waren der Einladung der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria in die voestalpine Stahlwelt in Linz gefolgt. Der Softwarepark Hagenberg organisierte die Session „Digitale Transformation“.
Alois Ferscha von der Johannes Kepler Universität Linz ist Vorstand des Instituts für Pervasive Computing, wissenschaftlicher Leiter des COMET K1 Zentrums Pro2Future und des Research Studios Pervasive Computing Applications. In seinem Vortrag mit dem Thema „Produkte mit kognitiven Fähigkeiten – Miniaturisierte, eingebettete KI“ erläuterte er an mehreren Beispielen, woran er und sein Team gerade forschen: Produkte mit kognitiven Fähigkeiten und an kognitiver Produktion in der Industrie.
„Nach der Digitalisierung kommt das Zeitalter der Kognifizierung. Erst, wenn die letzten Dinge digitalisiert sind, wird der Mensch erkennen, dass wir besser alles kognifizieren hätten sollen.“, sagte Ferscha. Technologische Fortschritte wie die radikale Miniaturisierung der Mikroelektronik, die voranschreitende globalen Vernetzung und die Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz haben zu völlig neuen industrie- und wirtschaftsrelevanten Einsatzszenarien eingebetteter Intelligenz und damit zu hochinnovativen Produktgestaltungsmöglichkeiten geführt. Miniaturisierung, Digitalisierung, Datenverschränkung und Virtualisierung eröffnen ein nie da gewesenes Spektrum an Möglichkeiten für intelligente digitale Produkte, intelligente und digitale Fabriken. Die nächste Generation intelligenter Produkte wird menschenähnliche kognitive Fähigkeiten wie Erkennen, Wahrnehmen, Interpretieren, Verstehen, Lernen, Vorhersagen, Planen, Vergessen, Intuition, Schlussfolgern und Entscheiden haben – kognitive Produkte also, die im technischen Sinne denken werden.
Die Forschungsarbeit an seinen Instituten erklärte der Professor unter anderem an der Entwicklung eines Assistenzsystems, eingebaut in den Helm eines Schweißers. Das System erkennt anhand der Augenbewegungen des Schweißers die nächsten Arbeitsschritte, ob es sich um einen Anfänger oder Experten handelt und ob der Arbeiter gestresst oder entspannt ist. Die im Helm eingebettete KI passt die Arbeitsabläufe automatisch an den Benutzer an.
„Um die Zukunft nachhaltig und erfolgreich gestalten zu können, bedarf es eines umfassenden Verständnisses der Vergangenheit und der Gegenwart. Analytics und interpretationsfähige KI-Methoden helfen bei der Entscheidungsfindung und Findung optimierte Kompromisse“, sagte Michael Affenzeller, wissenschaftlicher Leiter des Softwareparks Hagenberg und Professor für Heuristische Optimierung/Maschinelles Lernen. Er leitet den Masterstudiengang Software Engineering an der Fachhochschule Hagenberg, ist Vizedekan für Forschung und Entwicklung und leitet die Forschungsgruppe HEAL, also das Heuristic and Evolutionary Algorithms Laboratory. Sein Vortrag mit dem Titel „Prescriptive Analytics: Observe – Learn – Adapt“ beschäftigte sich mit den interdisziplinären Aspekten seiner Forschungstätigkeit.
Prescriptive Analytics ist ein Querschnittsthema in einer Querschnittsdisziplin oder anders gesagt eine synergetische Hybridisierung von verschiedenen Methoden und Algorithmen der Statistik, Informatik, Künstlichen Intelligenz, Data Science und Optimierung. Der Anspruch ist, optimierte Handlungsvorschläge in verschiedenen Anwendungsbereichen zur Verfügung zu stellen. Somit werden in der digitalen Welt gewonnene Erkenntnisse wieder in die reale Welt zurückgeführt und sorgen dort für bessere und effizientere Abläufe, Designs, Prozesse und Geschäftsmodelle.
Affenzeller war es auch wichtig zu erwähnen, dass wir durch Science Fiction in Literatur und Film eine überzogene Erwartungshaltung an Künstliche Intelligenz entwickelt haben. Daher Affenzellers Appell: „Künstliche Intelligenz beflügelt unsere Fantasie. Aber wir sollten science und fiction nicht allzu sehr vermischen!“ In seinem Vortrag erklärte er, wie mit auf genetischer Programmierung basierender symbolischer Regression interpretationsfähige mathematische Modelle gewonnen werden können. Der Vorteil: Die aus Daten gelernten mathematischen Modelle können mit menschlicher Intelligenz, Fachwissen, Erfahrung und Intuition kombiniert werden.
Stefan Wagner von der FH Hagenberg und Leiter des Josef Ressel Zentrums adaptOp, referierte zum Thema „Optimale Planung mit smarten Algorithmen – Wege zur digitalen Transformation in der Industrie". Digitale Transformation bedeutet für ihn, mit Hilfe von Daten und Software optimale Entscheidungen auf strategischer, taktischer und operativer Ebene treffen zu können. Eine zentrale Rolle nehmen dabei intelligente Planungsalgorithmen ein, die aus der Vergangenheit lernen, nachvollziehbare und robuste Ergebnisse liefern und sich flexibel auf zukünftige Ereignisse einstellen können. Durch die rasanten Entwicklungen im Bereich des maschinellen Lernens und der heuristischen Optimierung sowie durch die stetig steigenden Rechenkapazitäten werden solche Planungssysteme heute möglich und befinden sich in der Transition von der Forschung hin zur Anwendung.
„Moderne Produktions- und Logistiksysteme sind hochgradig vernetzt und komplex. Optimale Entscheidungen und nachhaltiges Wirtschaften erfordert daher intelligente Softwaresysteme und Algorithmen“, erklärte der FH-Professor. Optimierungsprobleme von praxisrelevanter Dimension in Produktion, Logistik und Intralogistik werden meist mit Näherungsverfahren – sogenannten Heuristiken – gelöst. Anschaulich erklärte Wagner das Optimieren der Stahlproduktion vom Strangguss bis zum Walzen. Das Simulationsmodell auf Basis evolutionärer Algorithmen lernt während des realen Produktionsprozesses laufend dazu und optimiert diesen im laufenden Betrieb. Am Ende stehen optimierte Bewegungen des Krans, der die Brammen von der Stranggussanlage auf Lagerplätze oder Transportfahrzeuge hebt.
Am Beispiel des mechanischen Kunststoffrecyclings schilderte Markus Manz die Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft für IKT-Systeme und dazugehörende Lösungsansätze. Manz ist diplomierter Umweltwissenschafter und CEO der Software Competence Center Hagenberg GmbH. Der Übergang zur vermehrten Nutzung von rezyklierten Rohstoffen erfordert agilere und stärker verbundene Wertschöpfungsketten, die flexibel auf Stoffstromschwankungen und sich ändernde Marktanforderung reagieren können. „Die intelligente Verknüpfung von Rohstoff-, Produktions- und Produktdaten entlang der Wertschöpfungskette bildet die Grundlage zur notwendigen Flexibilisierung des mechanischen Kunststoffrecyclings in Richtung Kreislaufwirtschaft“, sagte Manz.
Um diese Flexibilität zu gewährleisten, braucht es die Entwicklung und Integration von innovativem Datenmanagement und effizienten (d. h. prozessnahen) Datenverarbeitungsansätzen, Ansätzen zum sicheren Daten- und Informationsaustausch und zur sicheren Datenintegration über Unternehmensgrenzen hinweg, die dem Bedürfnis, der beteiligten Interessensgruppen, ihre Betriebsgeheimnisse zu wahren, Rechnung tragen und kollaborativen (Prozess-)Modellierungsansätzen, die eine Echtzeitüberwachung, Simulation und Steuerung von ganzen Wertschöpfungsketten ermöglichen. Eine Lösung sieht Manz in der Nutzung von Open Data.
Hier schloss Robert Stubenrauch, Projektmanager im IT-Cluster bei Business Upper Austria, mit seinem Vortrag „Open Data als Chance für eine nachhaltige Datenökonomie“ an. „Nachhaltigkeit ist eine äußerst komplexe Thematik. Einen Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen kann die Verknüpfung vielfältiger Datenquellen und deren intelligente Auswertung leisten“, ist er überzeugt. Im von der EU geförderten Projekt „DEAS – Data Economy Alps Strategy“ beschäftigen sich acht Alpenregionen mit der Mission, Open Data voranzutreiben und innovative datenbasierte Services für Tourismus, Umwelt und Mobilität zu entwickeln.
Stubenrauch ging auch auf das Thema „Nachhaltige Daten“ ein. Die Datenbestände wachsen weltweit enorm. Sie verbrauchen Speicher und Energie. Schätzungen gehen davon aus, dass zwei Prozent des globalen Energieverbrauchs auf Rechenzentren entfallen, 2030 sollen es bereits acht Prozent sein. Dabei werden etwa 70 Prozent der gespeicherten Daten gar nicht verwendet. Das Fraunhofer Institut empfiehlt daher „Datenverschwendung“ zu vermeiden das Optimum aus vorhandenen Daten herauszuholen. Die Prämisse sollte sein: von Big Data zu Relevant Data, also weniger, dafür aussagekräftigere Daten zu erheben.
Wie er mit seiner Forschung zu mehr Nachhaltigkeit beiträgt, erläuterte Alois Ferscha in der abschließenden Podiumsdiskussion: „Durch weniger Autofahren werden wir die Umwelt nicht retten. Zurück auf die Bäume ist nicht meine Vision. Aber wir können das, womit wir den Planeten ruinieren, durch neue CO2-freie Technologien verbessern.“ Stefan Wagner brachte einen anderen Aspekt der Nachhaltigkeit ein: „So lange wir die menschliche Intelligenz zur Verfügung haben, ist das Optimieren von Arbeitsabläufen kein Problem. Aber was tun wir, wenn wir sie nicht mehr zur Verfügung haben, weil wir keine Mitarbeiter mehr finden?“