30.06.2022

Erfolgsgeschichte Kunststoffkreislauf

Bei optimaler Kreislaufführung könnten wir 80 Prozent des Rohstoffbedarfs bei Kunststoff decken. Strategische Kooperationen wie die Initiative des Kunststoff-Clusters mit dem Kärntner Wirtschaftsförderungs Fonds (KWF) und dem Land Kärnten sind richtungsweisend für das Erreichen der Ziele auf nationaler und europäischer Ebene. Und Kreislaufwirtschaft kennt keine Grenzen. Das waren wesentliche Erkenntnisse der Fachtagung Kreislaufwirtschaft Ende Juni im Klagenfurter Messezentrum im Zeichen der Alpe Adria Region für eine nachhaltige Kunststoffbranche.

© Darren Osborne (Ozzy Images)
V.l.: Harald Kogler (CEO Hirsch Gruppe und Aufsichtsratsvorsitzender Messe Klagenfurt), Wolfgang Bohmayr (Kunststoff-Cluster, Büro Linz), Gaby Schaunig (Landesrätin für Finanzen, Beteiligungen, Entwicklung und Forschung), Andreas Starzacher (Leiter Standortentwicklung bei KWF Kärntner Wirtschaftsförderungs Fonds) und Werner Kruschitz (Landesinnungsmeister Kunststoffverarbeiter Kärnten WKO und CEO KRM GmbH) bei der Eröffnung der Fachtagung Kreislaufwirtschaft © Darren Osborne (Ozzy Images)

Mehr als 150 Vertreterinnen und Vertreter von Kunststoffbetrieben, Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen sowie weiterer Stakeholder nahmen an den beiden Tagen teil. Veranstalter waren die Kunststoff-Cluster aus Oberösterreich und Kärnten, der KWF und das Land Kärnten in Kooperation mit dem Cleantech-Cluster der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria sowie dem Green Tech Cluster Styria.
 

Learning Journey

Eine Learning Journey zum Thema Recyclingtechnologien führte die Teilnehmer:innen am ersten Tag zu den Technologieführern Steinbeis Polyvert GmbH und PreZero Polymers GmbH. Innovative Lösungen für den Verpackungskreislauf gab es bei der Firmenbesichtigung von CCL-Label Austria GmbH zu sehen. Der Höhepunkt der Unternehmenstour war der exklusive Blick auf die neu errichtete Pilotanlage SynCycle. Sie ist das Herzstück einer länderübergreifenden Investitions- und Forschungskooperation zwischen dem Recycling-Pionier Österreichs, Werner Kruschitz von der KRM Kunststoff-Recycling-Maschinen GmbH, der Next Generation Recyclingmaschinen GmbH und der BDI-BioEnergy International GmbH, die die Möglichkeiten des chemischen Recyclings auslotet.
 

Kooperation OÖ-Kärnten

„Gemeinsame Stärken ausspielen“ – unter dieser Prämisse starteten Kärnten und Oberösterreich Anfang 2021 ihre Kooperation im Bereich Kunststoff- und Kreislaufwirtschaft. Die ersten Früchte des etablierten Netzwerkes wurden bei der zweitägigen Fachtagung im Klagenfurter Messezentrum sichtbar. So berichtete Jörg Fischer von der LIT-Factory an der Johannes Kepler Universität Linz von circPLAST-mr, dem Leitprojekt zum mechanischen Recycling von Kunststoffen im Kunststoff-Cluster.
 

Mechanisches Recycling

Das Institut für Polymeric Materials and Testing leitet das Forschungsprojekt, das sich mit dem mechanischen Recycling von Kunststoffen beschäftigt. 25 namhafte Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft arbeiten zusammen, um den Wertschöpfungskreislauf des Recyclingprozesses zu optimieren. „Wir verfolgen vier Hauptstoßrichtungen: erstens das Aufspüren und Erforschen weiterer, bisher nicht genutzter Potenziale für das mechanische Recycling, zweitens die Festlegung, Implementierung und Austestung zentraler Verfahrensschritte im Labor im Pilot-Maßstab, drittens den Nachweis für die öko-effiziente Marktfähigkeit erhöhter Rezyklat-Kunststoffmengen durch Produktfallbeispiele und viertens den Nachweis der Skalierbarkeit“, erklärte Fischer.
 

„Styropor“ im Kreislauf

Ein weiteres Kooperationsprojekt im Kunststoff-Cluster ist EPSolutely, in dem eine Vielzahl an Partnern aus der gesamten Kunststoff-Wertschöpfungskette an der Schließung des EPS-Kreislaufs arbeiten. Matthias Lumetzberger vom Projektleiter Fraunhofer Austria Research GmbH berichtete vom Forschungsziel: eine geschlossene Kreislaufwirtschaft von EPS-Isolierungen und -Verpackungen bis 2025. „Wir entwickeln verschiedene Konzepte. Aktueller Status ist die Datenerhebung entlang der Wertschöpfungskette. Erste interessante Ergebnisse haben wir bei Bauabbruch-Abfällen erzielt, da diese aufgrund ihrer Zusammensetzung eine schwierige Fraktion darstellen“, sagte Lumetzberger.
 

Fakten sind entscheidend

Einen interessanten Vortrag hielt Sabine Nadherny-Borutin, Generalsekretärin von PlasticsEurope Austria: „Kunststoff steht in der Öffentlichkeit unter enormem Druck. Fakten ermöglichen es, auf Meinungen zu reagieren, deshalb: Facts Matter!“ Sie stellte eine Studie vor, die erstmals ein umfassendes Stoffstrombild für den Werkstoff Kunststoff in Österreich liefert, von der Produktion, Verarbeitung und dem Verbrauch über Abfallaufkommen und Verwertung bis zu Kunststoffrezyklaten und deren Einsatzgebiete. Die Facts-Matter-Studie deckte Ineffizienzen, Hürden und Problematiken sowie Datenunklarheiten auf. Es wurde ein internationaler Standard zur Erhebung von Stoffströmen geschaffen, der den ersten Schritt zu einer periodischen Überwachung dieser Stoffströme darstellt. „Mit optimaler Kreislaufführung könnten bis zu 80 Prozent des Rohstoffbedarfs gedeckt werden“, betonte Nadherny-Borutin, „jetzt brauchen wir eine Diskussion darüber, wie der Weg dorthin aussieht.“
 

Österreichs Kreislaufwirtschaft-Strategie

Einblicke in die neue österreichische Strategie für Kreislaufwirtschaft gab Thomas Jakl vom Bundesministerium für Klimaschutz und Umwelt. Bis 2030 sollen der Ressourcenverbrauch reduziert und die Ressourceneffizienz sowie die Nutzungsrate von Circular Material um 50 Prozent erhöht werden. Gleichzeitig soll der Materialverbrauch im privaten Konsum um zehn Prozent reduziert werden. „Es ist wesentlich, jedes Glied der Wertschöpfungskette zu hinterfragen und neuen Geschäftsmodellen den Vorzug gegenüber dem oft vorherrschenden Paradigma des maximalen Produktabsatzes einzuräumen“, appellierte Jakl. „Spezifische Ziele sind die Steigerung der Kreislauffähigkeit von Kunststoffen durch angepasstes Produktdesign, die Erhöhung des Einsatzes von Sekundärmaterialien in Kunststoffprodukten und die Verringerung der Verlustraten von Kunststoffen in die Umwelt.“ Er wies auch auf die Rolle der Verbände und Cluster hin, mit denen das Ministerium über das neu zu gründende „Circular Economy Lab“ verstärkt zusammenarbeiten möchte.
 

Zukunft des Recyclings

Günter Stephan von der Borealis AG betonte in seinem Vortrag: „Es geht um viel mehr als nur Kunststoff – es geht um CO2 und die mentale Einstellung eines jeden Menschen, wie man nachhaltiger leben kann. Abfall sollte der Vergangenheit angehören.“ Die Innovationen der ARA (Altstoff Recycling Austria) bei der Sammlung und Sortierung von Kunststoff- und Metallverpackungen stellte Erwin Janda vor. Diese soll bis 2023 österreichweit einheitlich sein. „Die 80x80x80-Regel – also bei Sammelquote, Sortiertiefe und Recyclingausbeute je 80 Prozent – bleibt das Credo“, sagte Janda.
 

Überregionale Kooperation als Schlüssel des Erfolgs

Kärntens Wirtschaftsförderungs-, Forschungs- und Entwicklungsreferentin LHStv.in Gaby Schaunig betonte die Wichtigkeit eines überregionalen Kompetenzaustausches und die Absicherung des Erfolgs für die Standorte Kärnten und Oberösterreich: „Die Clusterbeteiligung ermöglicht nicht nur Vernetzung, sondern auch die Nutzung bestehender Wachstumspotenziale. Gerade dadurch können die Unternehmen aus dem Vollen schöpfen und das Zukunftsthema Kreislaufwirtschaft mit ihren Innovationen und ihrem Know-how für eine enkelgerechte klimaneutrale Welt international sichtbar vorantreiben. Die Kooperation mit dem Kunststoff-Cluster Oberösterreich trägt wesentlich dazu bei, die Kompetenzen der regionalen Kunststoffbranche sichtbar zu machen und Projekte anzustoßen.“
 

Neue HTL-Fachrichtung in Ferlach

Um auch die Jugend für das Material Kunststoff und seine vielseitigen (Recycling-) Möglichkeiten zu begeistern und Fachkräfte für morgen auszubilden, öffnet ab dem kommenden Schuljahr an der Euregio HTL in Ferlach eine Fachschule für Kunststoff- und Recyclingtechnik ihre Tore, freut sich Wolfgang Bohmayr, Leiter des Kunststoff-Clusters der oö. Standortagentur Business Upper Austria: „Alles in allem war die Fachtagung Kreislaufwirtschaft in Kärnten ein gelungener Auftakt, um den regionalen Aktivitäten Sichtbarkeit zu verleihen und neue Projekte anzustoßen.“ Die Aktivitäten werde man noch weiter intensivieren, erste Vortragende aus Slowenien und Italien, die über regionale Best-Practice-Beispiele berichteten, würden das große Potenzial für den gesamten Alpen-Adria-Raum unterstreichen und für die Notwendigkeit und den Erfolg des Kunststoff-Clusters sprechen.
 

Kooperation als Schlüsselfaktor

Bei der Podiumsdiskussion waren sich alle einig: Die Kooperation von Kunststoff-Cluster und Kärntner Wirtschaftsförderungs Fonds kann das Potenzial für Innovationsprojekte und Vernetzung noch mehr heben. Alle Stakeholder entlang der Wertschöpfungskette seien gefordert, mitzuwirken und den Kunststoff nachhaltiger zu gestalten. Nur so könne das Image von Kunststoff verbessert werden. Mit den richtigen Fachkräften – Stichwort HTL Ferlach – können wir die heutigen Probleme in Zukunft auch lösen. Das vorhandene heimische Know-how könne weltweit genutzt werden. Wichtige Botschaften waren: Es braucht neben der Initiative auch planbare Rahmenbedingungen sowie auch für kleinere und mittlere Betriebe bürokratisch gangbare Wege, um die Ziele gemeinsam zu erreichen. Dazu ist Kooperation ein Schlüssel, insbesondere bei der Zusammenarbeit von Abfallwirtschaft, Recyclingbetrieben und der Kunststoffwertschöpfungskette mit Design for Circularity sowie entsprechenden Technologien für das Kunststoffrecycling.


Wir danken unseren Kooperationspartnern:

EREMA Engineering Recycling Maschinen und Anlagen Ges.m.b.H.
europlast Kunststoffbehälterindustrie GmbH
HIRSCH Servo AG 
Lindner-Recyclingtech GmbH