04.11.2025

Ein Gastbeitrag von Julia Groiss und Theresa Kollnig, Deloitte Österreich

EU-Lohntransparenz: Was auf Unternehmen zukommt

Was lange debattiert wurde, bekommt nun ein konkretes Gesicht: Die neue EU-Lohntransparenzrichtlinie bringt neue klare Spielregeln. Sie verlangt Mut zu Veränderung, belohnt aber mit mehr Fairness und Transparenz. Wer heute klug handelt, positioniert HR morgen dort, wo es hingehört: als strategischen Dreh- und Angelpunkt.

Julia Groiss, Senior Manager und Theresa Elisabeth Kollnig, Senior Consultant © Deloitte
Julia Groiss, Senior Manager und Theresa Elisabeth Kollnig, Senior Consultant © Deloitte

Ziel der Richtlinie ist die Beseitigung geschlechtsbezogener Lohndiskriminierung. Bis Juni 2026 müssen alle EU-Mitgliedstaaten – auch Österreich – die Richtlinie in nationales Recht überführen.

Jobarchitektur: Herzstück für gelebte Lohnfairness

Ab dem 7. Juni 2027 wird die Berichterstattung verpflichtend – erstmals rückwirkend für das Jahr 2026, gestaffelt nach Unternehmensgröße. Damit beginnt die eigentliche Arbeit deutlich früher: Unternehmen sind angehalten, gleichartige und gleichwertige Tätigkeiten systematisch zu erfassen und strukturiert zu bewerten. Eine tragfähige Jobarchitektur liefert dafür das methodische Fundament: Sie sorgt für Vergleichbarkeit, schafft interne Transparenz und dient als Basis für eine Vielzahl von HR-Prozessen – etwa in den Bereichen Vergütung, Leistungsbeurteilung oder HR-Controlling. Der Leitsatz „Gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ wird so nicht nur zur Absichtserklärung, sondern zur überprüfbaren Realität.

Neue Erwartungen an HR

Das Umsetzen der Richtlinie bindet Ressourcen – insbesondere in ohnehin stark ausgelasteten HR-Teams. Deshalb gilt es, strategische Vorhaben wie den Aufbau einer Jobarchitektur jetzt zu priorisieren. Dabei verändert die Richtlinie nicht nur HR-Prozesse, sondern auch Rollenverständnisse in HR. Neu ist unter anderem das individuelle Auskunftsrecht: Beschäftigte dürfen künftig Informationen über das durchschnittliche Entgelt vergleichbarer Positionen anfordern – differenziert nach Geschlecht. Diese Transparenz setzt eine nachvollziehbare, systematische Arbeitsbewertung voraus und bedingt die aktive Einbindung zentraler Stakeholder. Geschäftsleitung, Führungskräfte und Betriebsrat sind frühzeitig mit an Bord zu holen.

Erste Schritte zur „Standortbestimmung“

Die aktuelle Vorbereitungsphase kann für ein „Self Assessment“ genutzt werden. Leitfragen sind etwa:

  1. Gibt es (unbewusste) Verzerrungen bei Stellenbezeichnungen und -beschreibungen?
  2. Sind Gehaltsentscheidungen dokumentiert und nachvollziehbar aufbereitet?
  3. Welche Gehaltsbestandteile gibt es aktuell? Gibt es einen Gender Pay Gap?
  4. Stellt das Recruiting die richtigen Informationen bereit?

Wer hier ehrlich antwortet, legt ein wertschätzendes Fundament. Professionelle Tools können bei der Analyse, Bewertung und Kommunikation helfen.

Fazit: Der richtige Moment ist jetzt

Die Lohntransparenzrichtlinie ist kein bürokratisches Hindernis. Sie bietet die Chance, Vertrauen und Fairness im Unternehmen nachhaltig zu stärken – ein klarer Wettbewerbsvorteil, insbesondere für jüngere Generationen. 

Natürlich: Die Vorbereitungen wirken anfangs umfangreich. Wer aktuelle Anlässe nutzt, kann das Momentum der Richtlinie gezielt aufgreifen. Standardisierte Gehaltsstrukturen, transparente Kriterien und faktenbasierte Entscheidungen stärken die Personalabteilung als strategische Partnerin – auf Augenhöhe mit Geschäftsleitung und Führungskräften.

Was es jetzt braucht? 

Einen klaren Plan. Die Umsetzung ist für viele Unternehmen eine Herausforderung. Deloitte begleitet Unternehmen je nach Reifegrad bestehender Systeme beim Aufbau einer neuen Jobarchitektur oder bei der Weiterentwicklung bestehender Systeme – immer mit dem Ziel, Geschlechtergerechtigkeit nicht nur zu erfüllen, sondern zu leben.

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