19.12.2024

Forschung für mehr Energieeffizienz und erneuerbare Energie in der Lebensmittelbranche

Energieeffizienz und der Einsatz von erneuerbarer Energie haben in der Lebensmittelbranche deutlich an Stellenwert gewonnen. Oft fehlen dazu aber noch die passenden Lösungen – sowohl technologische als auch ökonomische. Hochtemperatur-Wärmepumpen, Geothermie und Industrielle Symbiose sind aktuell intensiv beforschte Themen in der Lebensmitteindustrie. 

Dampfkessel in einer Brauerei
Energie in der Lebensmittelbranche © Napat_Polchoke von Getty Images via Canva.pro

„Die Lebensmittelindustrie hat einen spezifisch hohen Energieverbrauch an den Produktionskosten gemessen, wenn man sie mit anderen Industriesparten vergleicht“, weiß der Energiebeauftragte des Landes Oberösterreich Gerhard Dell zu berichten. 

Erst ein Drittel setzt auf erneuerbare Energien

Bereits 2016 hat das Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz in Kooperation mit AIT, AEE INTEC, Business Upper Austria und Unternehmen der Lebensmittelbranche einen F&E-Fahrplan für die Energieeffizienz in der Lebensmittelindustrie erarbeitet. Ein zentraler Bestandteil der entwickelten Zielsetzung war damals auch, den Anteil der erneuerbaren Energie langfristig auf 100 Prozent zu steigern. „Im Durchschnitt beträgt der Anteil an erneuerbarer Energie in dieser Sparte erst 33 Prozent. Hier gibt es schon noch deutliches Potenzial, das es in Oberösterreich zu nutzen gibt – insbesondere bei erneuerbarer Prozesswärme“, sagt der Energiebeauftragte.

Gas als heutiger Standard 

Wenngleich es mittlerweile viele Betriebe gibt, die mit Ökostrom und eigenen Bioenergieanlagen, teils auf Basis der eigenen Reststoffe, arbeiten, sei das für die langfristigen Ziele bei weitem noch nicht genug, sagt dazu Simon Moser vom Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität. Immer noch sind gasbetriebene Systeme für die meisten Betriebe der Standard, denn Gas ist prozessual einfach handhabbar und die Prozesstemperaturen einfach zu erreichen. Dass gerade im Lebensmittelbereich, wo ökologische und regionale Produktion oftmals eine essenzielle Rolle spielen, nachhaltige Energie noch nicht so relevant ist, sei auffällig, meint Moser. 

Versorgungssicherheit ist wichtig

Zudem galt Erdgas bis Anfang der 2020er-Jahre als günstig und versorgungssicher. Gerade in der Lebensmittelindustrie sollten Resilienz und Versorgungssicherheit einen hohen Stellenwert haben. Dass jeder Betrieb der Lebensmittelbranche bei der Energieversorgung völlig unabhängig werden kann, glaubt Moser nicht. „Die größeren Betriebe der Lebensmittelindustrie brauchen mehrere GWh Wärme und Strom pro Jahr. Eine örtliche Autarkie ist hier wohl schwierig zu erreichen und auch systemisch nicht immer sinnvoll. Aber eine Stärkung der Resilienz ist jedenfalls anzustreben.“

Individuelle Lösungen erforderlich 

In den Lebensmittelbetrieben gilt es jetzt, für jeden Prozess individuell eine Lösung aus dem Portfolio der klimaneutralen Energien auszuwählen. Dabei ist insbesondere die Elektrifizierung mit Hochtemperatur-Wärmepumpen stark in den Fokus gerückt. Geothermie als industrieller Energieträger ist noch nicht verbreitet, wird aber intensiv beforscht. Wasserstoff ist bei niedrigen Temperaturniveaus meist eher ungeeignet.

Industrielle Symbiose statt fossiler Energie

Aus energetischer Perspektive sieht Moser bei der Substitution von fossilen Energieträgern großen Forschungsbedarf. Es seien meist andere Ansätze notwendig als in der energieintensiven Industrie wie etwa in der Stahl- oder Papierindustrie. „Wir forschen etwa an der Möglichkeit, überschüssigen Dampf aus anderen Betrieben in der Lebensmittelindustrie zu nutzen“. Diese „Industrielle Symbiose“ erhöht die Gesamteffizienz des Systems und erhöht im Idealfall bei beiden Betrieben bzw. Prozessen die Wirtschaftlichkeit.

Standardsysteme als Hürde

Bestehende Dampfsysteme sind oft eine besondere Herausforderung. „Für die Integration der erneuerbaren und effizienten Alternativen sollten die Druckniveaus nur so hoch wie unbedingt notwendig sein. Das war bisher bei mit Gas oder mit Biomasse gefeuerten Systemen eher nachrangig“, sagt Moser. Für die neue Prozessgestaltung dazu seien die Anlagenbauer und Technologieanbieter stärker einzubeziehen. „Denn oft werden derartige Systeme leider noch als Standardversion „von der Stange“ gekauft und sind danach, sobald eingebaut, schwer zu verbessern“, ist Moser überzeugt.

Thermische Speicher und hybride Systeme für Gas und Strom

Weitere mögliche Prozessinnovationen in der Lebensmittelindustrie sieht Energieexperte Moser beispielsweise in der Senkung der Temperaturniveaus oder bei der Umstellung der primären Energieversorgung, wenngleich dies aber im individuellen System des Industrie- oder Gewerbebetriebs eine massive auch monetäre Herausforderung darstellt. Eine Möglichkeit könnte in der Anschaffung von flexiblen bzw. auch hybriden Systemen liegen, die mit gasförmigen Energieträgern sowie alternativ mit Strom betrieben werden. Unternehmen könnten dann etwa ihre eigene PV-Produktion oder die Leistungsspitzen im Stromnetz (mit teils negativen Energiepreisen) nutzen, um kurzfristig die kostengünstigsten Quellen zu nutzen. 

Förderung für Kooperationsprojekte

Oft lassen sich technisch notwendige Lösungen im Verbund einfacher erarbeiten. Das Land Oberösterreich fördert kooperative Forschungs- und Entwicklungsvorhaben mit nachhaltig positivem Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit Oberösterreichs. Mindestens drei Kooperationspartner arbeiten dabei zusammen an einer Technologieentwicklung. Ist eine Forschungseinrichtung beteiligt, gibt es dafür einen zusätzlichen Bonus.

Das EU-Projekt „EENOVA“ soll Unternehmen in der Lebensmittelsparte zu mehr Nachhaltigkeit und Energieeffizienz verhelfen. Im Rahmen des Projekts stellen der Lebensmittel-Cluster regelmäßig Erfahrungsberichte von Unternehmen und Forschungspartnern für die Lebensmittelbranche zur Verfügung.

 

Kontaktpersonen:

Luise Dauwa, Projektmanagerin Lebensmittel-Cluster, Business Upper Austria
Luise Dauwa