09.02.2024

Kräuterextrakte fördern Tierwohl von Schweinen

In der Schweinehaltung können die Tiere selbst bei guten Haltungsbedingungen gesundheitliche Probleme bekommen oder Verhaltensstörungen wie Schwanzbeißen entwickeln. Dass das Mikrobiom im Darm das Verhalten der Schweine beeinflussen kann, ist bekannt, aber noch wenig wissenschaftlich erforscht. Das Projekt „SauWohl“ im Lebensmittel-Cluster der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria lieferte nun wichtige Erkenntnisse über die Auswirkungen von fermentierten Kräuterextrakten im Futter auf Gesundheit und Verhalten der Schweine.

Schweine in den Betrieben des Tierwohlprogramms „hütthalers Hofkultur“ der Hütthaler KG haben doppelt so viel Platz, eingestreute Liegeflächen und Zugang zu einem Außenklimabereich. © Hütthaler KG
Schweine in den Betrieben des Tierwohlprogramms „hütthalers Hofkultur“ der Hütthaler KG haben doppelt so viel Platz, eingestreute Liegeflächen und Zugang zu einem Außenklimabereich. © Hütthaler KG

Das Projekt „SauWohl“ untersuchte die Wirkung eines fermentierten Kräuterextraktes (FKE), der neben Kräutern auch Laktobazillen und Hefen beinhaltet. Damit sollen Durchfall oder Atemwegsprobleme sowie Schwanzbeißen reduziert werden. Das kann die Haltung von Schweinen mit intakten Schwänzen fördern, was sowohl gesellschaftlich als auch gesetzlich gefordert ist. Letztlich soll sich auch die Tiergesundheit und damit die Qualität für die Konsument:innen verbessern.

Zwei oberösterreichische Betriebe

Hersteller des fermentierten Kräuterextrakts FKE ist die Multikraft GmbH aus Pichl bei Wels. Sie stellte im Projekt das probiotische Ergänzungsfuttermittel, die Dosiertechnik und die Anwendungsempfehlungen zur Verfügung. Die sogenannte Multi-Farm-Studie wurde in drei Schweinebetrieben in Oberösterreich durchgeführt. Die drei Betriebe beliefern den Schwanenstädter Fleischverarbeiter Hütthaler KG und nehmen am Tierwohlprogramm „hütthalers Hofkultur“ teil. In diesem geht es um bessere Tierhaltung und Tiergesundheit. Hütthaler-Mitarbeiter:innen unterstützten auch die Sammlung von Kotproben und Daten. Am betriebseigenen gläsernen Schlachthof bewerteten Veterinärmediziner:innen die Gesundheit der Schweine und dokumentierten sie in den Schlachtprotokollen.

Wissenschaftliche Begleitung

Das Institut für Nutztierwissenschaften an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) und die Abteilung Ernährungsphysiologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni) begleiteten das Projekt wissenschaftlich. Die Tiere wurden dazu auf jedem Betrieb ab dem Absetzen – also ab dem Zeitpunkt, an dem die Ferkel von der Muttersau getrennt werden – in eine FKE-Gruppe und in eine Kontrollgruppe ohne FKE-Fütterung aufgeteilt und bis zum Schlachten begleitet. Die Wissenschafterinnen erhoben klinische Daten wie Durchfall, Verletzungen und Schwanzlängen, beobachteten das Verhalten der Tiere, sammelten und analysierten die Kotproben. Um die Aussagekraft der Studie zu erhöhen bzw. eine Voreingenommenheit auszuschließen, wussten die Wissenschafterinnen erst nach der Datenerhebung, zu welcher Gruppe die einzelnen Tiere gehörten.

Deutlich weniger verletzte Schwänze und bessere Gesundheit

Das wichtigste Ergebnis: In der FKE-Gruppe waren am Ende der Mastperiode nur bei 5,13 % der Tiere die Schwänze verkürzt, in der Kontrollgruppe bei 71,1 % der Tiere. „Da am Ende der Mast deutlich mehr Tiere eine normale Schwanzlänge ‒ also keinen Hinweis auf Schwanzbeißen während der gesamten Periode ‒ aufwiesen, spricht dies für den Einsatz von Fermenten wie FKE in der Schweineproduktion“, sagt Natalia Nöllenburg von der BOKU Wien. Außerdem husteten und niesten FKE-Tiere auch weniger. „Unsere Hypothese, dass FKE die Diversität des Mikrobioms fördert, sich positiv auf den Darm auswirkt und zu weniger Schwanzverletzungen führt, wurde bestätigt.“

Viele Faktoren beeinflussen Gesundheit und Verhalten

Nöllenburg schränkt allerdings ein: „Der Einsatz von FKE kann aber nicht die alleinige Lösung für tiergesundheitliche und Tierwohl-Probleme sein, lediglich ein Baustein bzw. Teil der Lösung, um das Schwanzbeißen zu verringern.“ Denn Risikofaktoren sowohl für das Schwanzbeißen als auch für die Tiergesundheit sind multifaktoriell: Neben den Haltungsbedingungen wirken sich auch Stress ‒ durch den Menschen oder Unruhe in der Tiergruppe ‒ und nicht ausreichende Erkundungsmöglichkeiten oder passendes Beschäftigungsmaterial (z. B. Stroh, Heu, Seile) auf Verhalten und Gesundheit der Schweine aus. Fehlt beispielsweise Beschäftigungsmaterial, fangen Schweine an, sich mit Körperteilen ihrer Artgenossen zu beschäftigen. Das kann zu Verletzungen am Schwanz oder an den Ohren führen.

Zusammenhang zwischen Mikrobiom und Verhalten

In der Praxis werden seit vielen Jahren verschiedene probiotische Präparate oder auch Phytobiotika eingesetzt, da bekannt ist, dass das Verhalten von Tieren mit dem Mikrobiom im Darm zusammenhängen kann. Die BOKU und die Vetmeduni forschen schon seit Jahrzenten zum Tierwohl und zur Verbesserung der Haltungssysteme von Schweinen in jeglicher Lebensphase. Das Projekt „SauWohl“ trug dazu bei, physiologische Vorgänge im Zusammenhang mit anatomischen (äußerlichen) Indikatoren wie z. B. Schwanzverletzungen besser zu verstehen. So konnte zum ersten Mal in Praxisbetrieben ein Zusammenhang zwischen Schwanzlängen sowie verletzten Schwänzen und Veränderungen des Darm-Mikrobioms hergestellt werden. Die Ergebnisse zeigten auch, dass diese Zusammenhänge abhängig vom Alter der Schweine und vom Betrieb waren.

Gesunde Tiere – hochwertige Lebensmittel

Die Partnerbetriebe, die für das Tierwohllabel „hütthalers Hofkultur“ arbeiten, eigneten sich für das Projekt ganz besonders. Denn die Schweine haben in der Mastperiode doppelt so viel Platz, eingestreute Liegeflächen sowie Zugang zu einem Außenklimabereich. Die Schwänze werden nicht kupiert. „Nur gesunde Tiere können die Basis für qualitativ hochwertige Lebensmittel tierischen Ursprungs darstellen“, betont Dominik Eckl, Tierarzt und Hofkultur-Projektleiter. Er war von Beginn des Projekts an davon überzeugt, dass die Zufütterung von FKE positive Auswirkungen auf das Tier haben kann und die Tiergesundheit verbessert. „Dies hat sich nun durch das Projekt ‚SauWohl‘ und der professionellen wissenschaftlichen Betrachtung in vielen Bereichen positiv bestätigt. Einige gewonnene Aspekte bilden nicht nur einen Mehrwert für die Landwirtschaft, sondern laden auch dazu ein, genauer hinzuschauen und mögliche Folgeprojekte daraus zu generieren“, ergänzt Eckl. Die Hütthaler KG will nun die Verwendung von FKE in der Zufütterung weiter fördern.

Bessere Unterstützung für Landwirte

Auch für den FKE-Hersteller Multikraft hat das Projekt wichtige Erkenntnisse geliefert, vor allem für die Dosierempfehlungen des flüssigen Ergänzungsfuttermittels. FKE entsteht übrigens durch die Fermentation von verschiedenen Kräutern mittels Laktobazillen und Hefen. Multikraft-Geschäftsführer Lukas Hader betont: „Durch die wissenschaftliche Evaluierung der Effekte kann eine bessere Akzeptanz der Produkte bei Tierhalter:innen und Veterinärmediziner:innen erreicht werden. Die Daten dienen als Unterstützung bei der Beratung von Landwirt:innen und einer leichteren Vermarktbarkeit.“ Die Erkenntnisse der Studie nutzt Multikraft nun für die Weiterentwicklung des Produkts. „Außerdem können wir die Anwendungsempfehlungen nun adaptieren und einen Leitfaden als Unterstützung für die Landwirt:innen anbieten“, sagt Hader.

Folgeprojekt sehr wahrscheinlich

Die Projektpartner haben bereits über ein mögliches Folgeprojekt diskutiert. Inhalte könnten das Ausweiten auf weitere Betriebe, der Vergleich des Darm-Mikrobioms von Tieren in verschiedenen Haltungssystemen oder die Wirkung von FKE auf trächtige Schweine, ungeborene Ferkel und Ferkel in der Säugeperiode sein. Heidrun Hochreiter, Managerin des Lebensmittel-Clusters, ist überzeugt: „Das Projekt ‚SauWohl‘ hat einen wissenschaftlichen Beitrag zum Zusammenhang zwischen Schwanzbeißen und Darm-Mikrobiom geliefert. Da diese Zusammenhänge noch wenig wissenschaftlich erforscht sind, ist ein Folgeprojekt der Partner im Lebensmittel-Cluster sehr wahrscheinlich. Somit leisten wir auch weiterhin einen wichtigen Beitrag für die Tiergesundheit und Qualität der Lebensmittel für unsere Konsument:innen.“

Kontaktpersonen:

Portraitfoto Lorena Maria Dorninger
Lorena Maria Dorninger