28.05.2019
Fachtagung – Im Spannungsfeld zwischen mechanischem und chemischem Recycling

Kunststoff: Wie Kreislaufwirtschaft gelingt

Roboter und Röntgenstrahlen sortieren Kunststoffe, Pyrolyse als alternatives Recyclingverfahren und Polyolefine als Verpackungsmaterial der Zukunft: Das waren einige der Themen der Kunststoff-Cluster Fachtagung „Kreislaufwirtschaft – Im Spannungsfeld zwischen mechanischem und chemischem Recycling“. Mehr als 100 Besucher hörten am 20. Mai spannende Vorträge an der Johannes Kepler Universität Linz zur Vernetzung von Kunststoff-Branche und Abfallwirtschaft.

Podiumsdiskussion
v. l.: DI Manfred Hackl, EREMA Group, DI Christian Mayr, Kunststoff-Cluster; Bernhard Baumberger, Walter Kunststoffe GmbH, Dr. Markus Schopf, Borealis Group, DI Roman Eberstaller, Sunpor Kunststoff GmbH, Univ.-Prof. Dr. DI Christian Paulik, Institut für die Chemie organischer Stoffe, JKU Linz © Business Upper Austria

Dabei standen der Wertstoff Kunststoff, der Kunststoff-Recycling-Maschinenbau und die unterschiedlichen Methoden des Recyclings im Fokus. Besonders die Vernetzung von Kunststoff-Branche und Abfallwirtschaft spielt für die Herausforderungen und Probleme des Kunststoff-Abfalls eine zentrale Rolle.

Können Kunststoffe die Welt retten?

Univ.-Prof. DI Dr. Christian Paulik vom Institut für die Chemie organischer Stoffe an der Johannes Kepler Universität Linz beleuchtete die Vorteile und Nutzen von Kunststoffen an unterschiedlichen Beispielen wie der Fleischverpackung oder der PET-Flasche, beim Leichtbau oder der Isolierung von Gebäuden. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass Kunststoff ein kontroverses Material ist und Alternativen nicht unbedingt nachhaltiger sind. Nichtsdestotrotz müsse die Kunststoff-Branche nachhaltiger werden. Paulik wies auf die LIT-Factory an der JKU Linz sowie das K1-Zentrum „CHASE“ hin. Beide Forschungseinrichtungen fokussieren das Recycling und die Circular Economy von Kunststoffen.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Dr. Katharina Huber-Medek, Expertin für Umwelt- und Abfallrecht, zeigte, welche rechtlichen Rahmenbedingungen eine Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen unterstützen können. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, den Zeitpunkt des Abfallendes mit dem Abschluss des Verwertungsverfahrens gleichzusetzen. Das Entfallen von AWG-Genehmigungspflicht und der UVP-Pflicht für Recyclinganlagen würde die Kunststoff-Kreislaufwirtschaft ebenfalls verbessern bzw. erleichtern.

Kunststoff ist Wertstoff

Der Vortrag von Werner Kruschitz vom gleichnamigen Unternehmen aus Völkermarkt machte klar, welche Vorteile Kunststoff-Rezyklate bringen und wofür sie verwendet werden können. PET-Flaschen aus 100% Rezyklat hinterlassen beispielsweise einen um den Faktor sieben kleineren CO2-Fußabdruck als Flaschen aus PET-Neuware. Laut Kruschitz fehle in der Gesellschaft das Bewusstsein, dass Kunststoff ein wertvoller Werkstoff ist. Er präsentierte eine Liste an Änderungen, die umgesetzt werden müssten, um die EU-Ziele bei Recyclingquoten zu erreichen. Darunter befindet sich zum Beispiel der Wunsch, dass österreichweit alle Kunststoffe und nicht nur Verpackungen gesammelt werden. Auch der Einsatz von Rezyklaten sollte bei öffentlichen Ausschreibungen vorausgesetzt werden.

Potenzial und Problem zugleich

Dass Kunststoff-Recycling zugleich Problem und Potenzial birgt, verdeutlichte DI Günther Höggerl von der Müller-Guttenbrunn-Gruppe als erster Referent im Block „Recycling aus der Praxis“. Potenzial bestehe in der Hinsicht, CO2 einzusparen und somit den Kunststoff von langlebigen Produkten zu rezyklieren. Gerade Elektroaltgeräte beinhalten relativ viel Kunststoff, der am Ende des Lebenszyklus wieder getrennt und wiederverwertet werden kann. Hier gelte es, entsprechende ökonomische und rechtliche Herausforderungen zu lösen. Speziell die Schadstoffentfrachtung (z.B. von bromierten Flammhemmern) bei Elektroaltgeräten und die damit verbundenen Grenzwerte stellen Recycler vor Probleme.

Sortieren mit Röntgenstrahlen

Wie das Sortieren von Hochleistungskunststoffen in der Praxis funktioniert, erklärte Ing. Bruno Ofner von der Minger Kunststofftechnik GmbH aus Appenzell/CH. High-Tech-Anwendungen wie das Sortieren mittels Röntgenstrahlen weisen den Weg in die Zukunft der Sortierung von Kunststoff-Granulaten - vor allem bei Rezyklaten, bei denen es um annähernd 100% Sortenreinheit geht. Mit diesen Technologien hat sich die Qualität der Kunststoff-Rezyklate stark verbessert.

Roboter als Sortierhelfer

Ing. Mag. Oswald Hackl thematisierte das automatisierte Sortieren von Abfällen mittels Roboter. Die manuelle Sortierung ist bei vielen Sammlern noch immer tägliche Praxis, auch bei Kunststoffabfällen. Die Hackl Container GmbH wird hier in die Zukunft der Sortierung investieren. Vorteile sind geringere Betriebskosten im Vergleich zu den Personalkosten und die hohe Zugriffszahl (2.000 – 4.000 Griffe pro Stunde). Nachteile sind die hohen Investitionskosten und Probleme beim Sortieren von Materialverbunden. Nichtsdestotrotz entlastet und unterstützt ein Sortierroboter das Sortierpersonal erheblich.

Know-how made in Austria

Im Block „Recyclingmaschinen made in Austria“ wurde einmal mehr sichtbar, welch großes Know-how im Bereich Recycling-Maschinenbau für Kunststoff-Abfälle in österreichischen Unternehmen zu finden ist. Mag. Michael Heinzlreiter präsentierte das LSP-Verfahren (Liquid State Polycondensation) der Next Generation Recyclingmaschinen GmbH, welches sich u.a. durch die hohe Energie-Effizienz und der automatischen IV Steuerung (intrinsische Viskosität) auszeichnet.

Geruchsproblem gelöst

DI Florian Mitterecker von der Starlinger & Co GmbH behandelte die Geruchsreduktion von Post-Consumer Rezyklaten. Geruch stellt im Recyclingprozess oft einen diffizilen Faktor dar, der die Anwendung von Rezyklaten sehr einschränkt. Speziell Post-Consumer Kunststoffabfälle können sehr unangenehm riechen. Die Recycling Technology Sparte von Starlinger entwickelte hier einen Prozess, der Gerüche von Rezyklaten weitestgehend entfernt und somit die Anwendungsmöglichkeiten von Post-Consumer Material in einer Kreislaufwirtschaft vervielfacht.

Triebfeder für Innovationen

Die EREMA Group aus Ansfelden ist Weltmarktführer bei Recyclingmaschinen. Kunststoff-Cluster Beiratssprecher DI Manfred Hackl wies in seinem Vortrag auf die Bandbreite an unterschiedlichen Recyclingtechnologien hin, die EREMA für die unterschiedlichsten Anwendungen und Kunststofftypen im Portfolio hat. Dabei ist gerade das Kunststoff-Recycling in einer Kreislaufwirtschaft die Triebfeder für Innovationen. Das beweisen die 111 Patente, die EREMA angemeldet hat. Hackl stellte einmal mehr das Netzwerk des Kunststoff-Clusters in den Vordergrund, welches gestärkt und genutzt werden muss, um Innovationen voranzutreiben. Dass beim Thema Kunststoff-Recycling kein Weg an den drei Recyclingmaschinenbau-Unternehmen vorbeigeht, beweist der hohe Marktanteil Österreichs in der Branche.

Material der zirkulären Zukunft

Den Block „chemisches Recycling“ eröffnete Dr. Markus Schopf von der Borealis Group mit seinem Vortrag über die „polyolefins circular economy“. Diese wird seiner Meinung nach mit Unterstützung eines Design for Recycling, der adäquaten Sammlung und Sortierung sowie der Weiterentwicklung von Produkten und Technologien gelingen. Borealis zieht Lebenszyklusanalysen zu Rate, um die passende Recyclingstrategie auszuwählen. Somit ist sowohl das mechanische als auch das chemische Recycling in Zukunft nötig, um eine geschlossene Kreislaufwirtschaft zu erreichen. Schopf wies auch auf die vielen Produkte hin, die in unterschiedlichen Projekten entwickelt wurden und aus Rezyklat produziert sind. So ist z.B. der Speiseöl-Sammelbehälter „ÖLI“ ein Vorbild für weitere Produkte aus PC-Rezyklat. Der Kübel aus 100% Post-Consumer Rezyklat wurde im Projekt „Circumat“ entwickelt. Schopf schlussfolgerte, dass Polyolefine das Material einer zirkulären Zukunft sind und neben den unterschiedlichen Recyclingstrategien auch die Wiederverwendung nicht außer Acht gelassen werden darf.

CO2-Fußabdruck verringern

DDI Wolfgang Hofer von der OMV AG stellte das Projekt „Re-Oil“ vor. Eine innovative Technologie, die Post-Consumer Kunststoffabfälle (vorwiegend Polyolefine und Polystyrol) in die gleichen Bestandteile wie Rohöl prozessiert. Noch ist chemisches Recycling in Zahlen nicht abzubilden. Die OMV will den Re-Oil-Prozess aber bis 2025 auf 200 kT/a skalieren. Somit wird er laut Hofer eine signifikante Rolle in der Kunststoff-Abfallwirtschaft spielen. Hofer wies u.a. darauf hin, dass der CO2-Fußabdruck von Öl aus Post-Consumer Kunststoffabfall um 25% geringer ist als von fossilem Rohöl. Er sieht daher kein Spannungsfeld, sondern ein Ergänzungsfeld zwischen mechanischem und chemischem Recycling, um die Achillesferse der Kunststoff-Industrie, den Kunststoff-Abfall, in den Griff zu bekommen.

Rezyklierbare Dämmplatten

Dass es auch für Polystyrol eine innovative chemische Recyclingtechnologie gibt, bewies DI Roman Eberstaller von der Sunpor Kunststoff GmbH. Das Unternehmen ist Mitglied im „PolyStyreneLoop“, einer Initiative, die sich mit dem Recycling von PS-Schäumen auseinandersetzt. Der „Creasolv-Prozess“ des Fraunhofer IVV Instituts spielt hier eine zentrale Rolle. Eberstaller erklärte, dass in diesem Prozess sogar das in XPS-Platten oft enthaltene Brom rezykliert werden kann. Herausforderungen wie die hohen Investment-Kosten, die permanente Versorgung mit entsprechendem Material oder rechtliche Unsicherheiten beim Transport von Abfällen sind noch zu meistern. Die Sunpor Kunststoff GmbH stellt vorwiegend Dämmungen aus PS her. Diese kämpfen vermehrt mit Konkurrenz durch alternative Dämmstofflösungen. Eberstaller begegnet dieser Herausforderung mit dem Argument, dass EPS-Dämmplatten zu 98% aus Luft bestehen und somit eines der effizientesten Materialien überhaupt sind.

Pyrolyse als Ergänzung und Alternative

Die Mitteltemperatur-Pyrolyse der Next Generation Elements GmbH stellte Dr. Andreas Hackl vor. Sie ist ein alternatives Recyclingverfahren, das die Kunststoff-Kreislaufwirtschaft ergänzt. Hackl sieht die Pyrolyse als komplementäre Ergänzung zur Müllverbrennung mit den Endprodukten Pyrolyse-Gas und Pyrolyse-Koks. Das Verfahren könnte eine Lösung für die Verwertung von Carbonfaser-Abfall sein.

Neues Kooperationsprojekt Rec2Pack

Der ecoplus Kunststoff-Cluster Niederösterreich reagiert mit dem neuen Kooperationsprojekts Rec2Pack „Closing the loop of polyolefine hollow bodies“ auf die Verpackungsrichtlinie (94/62/EG), die am 22. Mai 2018 vom Rat der Europäischen Union angenommen wurde.
>> Mehr Infos zum Projekt

Interessierte sind eingeladen beim Informationsworkshop das geplante Kooperationsprojekt „Rec2pack“ kennenzulernen:
Mittwoch 12.06.2019 10:00 – 13:00 Uhr, im Palais NÖ Herrengasse 13, 1010 Wien
>> Zur Anmeldung