Um die Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen voranzutreiben, braucht es neue Ideen und motivierte Gründer*innen, die sich der Thematik annehmen und innovative Ideen auch verwirklichen. Vier ganz unterschiedliche „grüne“ Start-ups gaben beim virtuellen Treffpunkt Kunststoffrecycling einen Einblick in ihr Unternehmen. Ihre Beispiele beweisen, dass Visionen im wahrsten Sinn des Wortes auf ökologisch fruchtbaren Boden stoßen und erfolgreiche Geschäftsmodelle ermöglichen.
Die Onlineveranstaltung des Kunststoff-Clusters am 17. November 2021 stand im Zeichen von Start-ups in der Kunststoffrecycling-Branche. Dabei zeigte sich eindrucksvoll, dass pfiffige Unternehmer mit Leidenschaft, Ideen und Know-how im Bereich der ökologischen Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen erstklassige Chancen haben. Die Start-up-Szene profitiert nicht nur von definierten Klimaschutzzielen und dem Trend zu nachhaltigem Ressourcenverbrauch: Bei Förderungen und bei der Mitarbeitersuche haben es „grüne“ Start-ups in der Praxis vermutlich einfacher als Mitbewerber in konventionellen Bereichen. Einen Faktor hat die Gründerszene stets gemeinsam: Am Absatzmarkt zählt letztendlich nur der Nutzen für die Kunden, den die Jungunternehmer detailliert dokumentierten.
„Vier Jungunternehmer haben uns spannende Einblicke aus der Praxis gegeben und gezeigt, wie wichtig es ist, innovative Ideen für eine Circular Economy zu verwirklichen! Es braucht diese Initiativen und mutige Menschen, um die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben!“
DI Christian Mayr, Projektmanager im Kunststoff-Cluster
Die beiden Leobener Verfahrenstechniker Markus Bauer und Daniel Schwabl haben im August 2020 das Unternehmen Circulyzer GmbH gegründet. Das Spin-off der Montanuniversität Leoben entwickelt, plant und baut Anlagen für die nass-mechanische Aufbereitung von kunststoffhaltigen Abfallfraktionen. Die nach Kundenwunsch maßgeschneiderten Anlagenkonzepte ermöglichen eine effiziente Rückgewinnung des Wertstoffs Kunststoff für ein Recycling. Der Grundstein für die neuartige Methode wurde bereits während des Studiums gelegt. Markus Bauer begann im Rahmen seine Dissertation im Jahr 2011 mit einer Verfahrens- und Materialanalyse zu der Fragestellung „Wie kann man Kunststoffe – insbesondere Polyolefine – aus gemischten Altkunststoff-Fraktionen abtrennen?
Er hat dabei festgestellt, dass es einen „interessanten Apparat“ gibt, der bei der Kohleaufbereitung eingesetzt wird, den Zentrifugalkraftscheider. Das sehr simple Gerät arbeitet mit Wasser oder Sole als Trennmedium. Unterschiedliche Kunststoffe haben unterschiedliche Dichten und können so getrennt werden. Der Fokus der Anwendung liegt auf Polyolefinen, Polyamiden und PET.
Mittlerweile ist eine funkionierende Demoanlage vorhanden und an einer ersten Industrieanlage wird bereits getüftelt. Die Vorteile der Technologie: einfacher, kompakter Apparat; hoher Durchsatz, wenig Verschleiß, geringe Neigung zu Verstopfung und flexibel gegenüber Durchsatzschwankungen. Die erzielte Reinheit liegt bei über 90 Massenprozent, je nach Input bei sogar bis zu 98%.
„Netzwerke sind besonders wichtig, sowohl in die Industrie als auch zu anderen Start-ups. Und Durchhaltevermögen: Es gehen Dinge auf, die man nicht für möglich hielt – aber auch umgekehrt.“
Markus Bauer, Circulyzer GmbH
Die Circulyzer GmbH wird als Technologieanbieter – von Kleineinheiten bis zu schlüsselfertigen Komplettanlagen – am Markt präsent sein. Das Geschäftsmodell schließt auch die Sparten Testanlagen und Wirtschaftlichkeits-Analysen mit ein. Das Marktpotenzial ist groß: In Österreich fallen pro Jahr 430.000 Tonnen Altkunststoffe aus Polyolefinen an (2017). Mehr als 85% davon werden stofflich nicht genutzt - obwohl gesammelt und sortiert.
Der Linzer David Mattersdorfer hat ebenfalls in Leoben studiert, war drei Jahre selbstständig im Bereich Beratungsleistung für Abfallwirtschaft tätig. Er hat die Plattform Polymerstocklist.com für Kunststoffabfallentsorgung entwickelt und das Unternehmen kürzlich mit der Cyrkl GmbH fusioniert.
Die Cyrkl GmbH mit Headquarter in Prag ist ein Online-Marktplatz für sämtliche Abfälle, besteht seit drei Jahren und hat aktuell 30 Beschäftigte weltweit - mit Fokus Europa. Über 8.000 Firmen kaufen oder verkaufen über die Plattform ihre Abfälle. Neu sind auch Versteigerungen. Unternehmen können über den Online-Marktplatz große Kosteneinsparungen realisieren. David Mattersdorfer sieht, getrieben duch Gesetzgebung, derzeit ein sehr großes Potenzial für den „Waste Management“-Markt .
„Um mit einem Start-up erfolgreich zu sein, gilt eine Devise: Finde das Problem und auch jemanden, der gewillt ist für die Löung zu zahlen.“
David Mattersdorfer, Cyrkl GmbH
Für Sören Lex ist Kunststoff ein perfektes Material für Kreislaufwirtschaft, weil es sehr einfach zu verarbeiten ist. Mit dem Unternehmen Plasticpreneur wurde ein sehr niederschwelliger Zugang zum Kunststoffrecycling geschaffen.
„Wir entwickeln, produzieren und vertreiben benutzerfreundliche, mobile und leicht zu reparierende Kunststoffrecyclingmaschinen“, betont Lex. Die Produkte sind sehr einfach und mit wenig Know-how nutzbar. Auch entsprechende Werkzeuge werden dafür entwickelt.
Erste Zielgruppe sind Unternehmen, Schulen oder Science Center, die den Recycling-Prozess einfach nur sichtbar machen wollen – beispielsweise bei Messeauftritten oder Schulungen.
Eine zweite Zielgruppe sind die Creator wie Designstudios oder auch YouTuber, die Produkte designen und einfach und kostengünstig produzieren wollen. Die dritte Zielgruppe: Social Business mit Plastik-Müll, beispielsweise in afrikanischen Ländern. Auch das entsprechende Training dazu – inclusive des unternehmerischen Know-hows – wird der Zielgruppe weitergegeben. Das ist für Lex die größte Herausforderung. Das Unternehmen gibt es seit Anfang 2021 nun als GmbH und beschäftigt in Österreich mittlerweile 11 Mitarbeiter*innen. Seit 2019 wurden in 55 Ländern über 200 Maschinen ausgeliefert.
Das Schweizer Start-up The fortunate planet AG (TFP) ist ein Softwareunternehmen und wurde 2020 gegründet. TFP arbeitet mit Unternehmen, Kommunen und Recyclingunternehmen zusammen, um die Recyclingquote aller Abfallarten zu erhöhen. Konsumenten werden mit der App aufgeklärt, wie und wo sie den Müll entsorgen müssen. Das Prinzip ist einfach: In der App sind alle öffentlichen Mülleimer in einer Karte erfasst - andere Nutzer sehen dann sofort, wo welcher Abfalleimer steht. Die Nutzer können nicht erfasste Mülleimer hinzufügen, diese werden verifiziert und sind dann für alle wieder sichtbar. Für ihre Mitarbeit sammeln die Konsumenten Punkte, die sie in kooperierenden Geschäften einlösen können. Die App hat mehrere Funktionen: Sie erkennt über Barcode das Material des Abfalls und zeigt, wo und wie er korrekt entsorgten werden muss.
Konsumenten können Füllstand von Abfalltonnen oder Littering an Kommunen melden.
Mit all den Daten können Kommunen oder Recyclingunternehmen ihr Abfallmanagment optimieren. Die Online-Anwendung ist in Österreich – noch – nicht verfügbar.
„Wichtig ist es Use-Cases zu finden, die für die Zielgruppe wirklich relevant sind“
Pascal Ritter, The fortunate planet AG (TFP), Baar, Schweiz
www.circulyzer.at
www.cyrkl.com
www.plasticpreneur.com
www.thefortunateplanet.com