19.11.2024
Gastbeitrag von Birgit Gahleitner

Praktischer Leitfaden für KMU zur Vorbereitung auf erweiterte Nachhaltigkeitsanforderungen

Mit der Verschärfung der globalen Nachhaltigkeitsvorschriften und der Weiterentwicklung der Stakeholder-Erwartungen müssen sich auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben bzw. zukunftsfit zu werden. Dieser kurze Leitfaden beschreibt die wichtigsten ersten Schritte für KMU zur Vorbereitung auf die zunehmenden Nachhaltigkeitsanforderungen.

Nachhaltigkeitsbericht
Nachhaltigkeitsbericht © Shutthiphong Chandaeng/Getty Images via Canva.pro

„How to eat an elephant“?

1. Machen Sie sich schlau über die Rahmenbedingungen
Zuallererst sollten Sie zumindest überblicksmäßig Bescheid wissen, welche Herausforderungen auf Sie zukommen. Setzen Sie sich mit ESG-Grundlagen auseinander, und finden Sie heraus, auf welche rechtlichen Anforderungen und vor allem auch wirtschaftlichen Veränderungen Sie reagieren und sich einstellen müssen.

Hier ein paar Eckpunkte zur Orientierung:

Aktuelle und kommende Anforderungen

  • EU Green Deal und zugehörige Verordnungen:
    Verschaffen Sie sich einen Überblick über wichtige europäische Initiativen wie die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD), die Entwaldungsverordnung (EU Deforestation Regulation, EUDR) oder die neue Ökodesign-Verordnung (Ecodesign for Sustainable Products Regulation, ESPR): Auch wenn Sie selbst nicht direkt berichten müssen, hat der Green Deal sehr wahrscheinlich zumindest indirekt Auswirkungen auf Ihre Lieferkettenbeziehungen mit größeren Unternehmen.
  • Nationale und branchenspezifische Umweltstandards:
    Recherchieren Sie Standards bzw. Anforderungen für Ihren Sektor, wie Energieeffizienzanforderungen für die Produktion oder Abfallmanagement im Einzelhandel.
  • Sorgfaltspflichten in der Lieferkette:
    Informieren Sie sich über Anforderungen zur Nachvollziehbarkeit und Berichterstattung von Umwelt- und Sozialauswirkungen in Ihrer Lieferkette
  • CO2-Preismechanismen:
    Verstehen Sie, wie sich CO2-Steuern oder Emissionshandelssysteme auf Ihre Geschäftskosten auswirken könnten


 Wichtige Schwerpunktbereiche

  • Treibhausgasemissionen:
    Direkte Emissionen von Gasen, die den Klimawandel verstärken (CO2, aber auch Methan oder Kältemittel, die in Klimaanlagen zum Einsatz kommen, etc.) aus dem Betrieb und indirekte Emissionen aus zugekaufter Energie (Strom, Wärme, Dampf) und aus allen vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskettenaktivitäten
  • Ressourcenverbrauch:
    Energie-, Wasser- und Rohstoffverbrauch in Ihren Betriebsabläufen und Produkten
  • Kreislaufwirtschaft:
    rdnungsgemäße Entsorgung, Recyclingmöglichkeiten und Kreislaufwirtschaftsprinzipien
  • Soziale Verantwortung:
    Arbeitspraktiken, Auswirkungen auf die Gemeinschaft und ethische Geschäftsführung
  • Nachhaltigkeit in der Lieferkette:
    Umwelt- und Sozialstandards für Lieferanten und Logistikpartner


2. Lernen Sie die Auswirkungen der eigenen Unternehmensaktivitäten kennen
Betrachten Sie dabei die gesamte Wertschöpfungskette. Das ist ein sehr wesentlicher Schritt, für den man sich unbedingt genug Zeit und interne Ressourcen reservieren sollte. Und sich durchaus auch Kompetenz von außen ins Unternehmen holen kann: am besten eine:n Berater:in, der bzw. die keinen fertigen Nachhaltigkeitsbericht oder „Sustainability auf Knopfdruck“ verkauft, sondern gemeinsam mit Ihnen die für Sie relevanten Nachhaltigkeitsaspekte unter die Lupe nimmt.


3. Setzen Sie Prioritäten und legen Sie Ihre Strategie fest
In einer Wesentlichkeitsanalyse bewerten Sie die Bedeutung der verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekte. Dabei sollten Sie analog zu den Anforderungen der ESRS (European Sustainability Reporting Standards, die die Umsetzung der CSRD regeln) das Ausmaß, den Umfang („Reichweite“) und die Unabänderlichkeit der Auswirkungen berücksichtigen. In einer guten Wesentlichkeitsanalyse binden Sie auch die Sichtweise Ihrer Stakeholder ein. Sobald Sie wissen, wo Sie den Hebel ansetzen müssen, können Sie Ihre Strategie definieren und sich konkrete Ziele setzen.

Planen Sie die Umsetzung in Teilschritten – eine übersichtliche Roadmap mit Meilensteinen motiviert alle, die einen Beitrag zur Realisierung der Maßnahmen beitragen, und Sie behalten die Zielerreichung besser im Blick.


4. Tun Sie es!
Die schönsten Ziele helfen nichts, wenn sie Luftschlösser bleiben – setzen Sie Ihre Nachhaltigkeits-Ambitionen konsequent in die Tat um, Schritt für Schritt. Dass Sie die dafür benötigten finanziellen, personellen und strukturellen Ressourcen zur Verfügung stellen müssen, liegt auf der Hand. Nützen Sie die Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse vor allem auch dafür, Chancen und Potenziale aufzudecken – dann sind Sie nicht nur in der Lage, Kunden, Investoren oder Behörden Auskunft über geforderte Informationen zu geben, sondern können Nachhaltigkeit zu Ihrem (Markt-)Vorteil machen.


5. Messen Sie Ihre Erfolge – Datenerfassung und -management
Ausgehend von den Erkenntnissen der Wesentlichkeitsanalyse bzw. entsprechend Ihren Zielen legen Sie möglichst aussagekräftige Kennzahlen fest, bestimmen die Baseline und können so Ihre Fortschritte nachvollziehbar messen.


6. … reden Sie darüber - Kommunikation
Damit alle Mitarbeiter:innen ihren Beitrag zu einem nachhaltigeren, resilienten Unternehmen leisten können, müssen sie Bescheid wissen, was Nachhaltigkeit bedeutet. Das heißt, dass Sie auch intern über die Auswirkungen und die Möglichkeiten zur Verbesserung im Nachhaltigkeitsbereich kommunizieren müssen.

Berichten Sie auch nach außen (an Ihre Stakeholder, die Öffentlichkeit und die Konsument:innen) ehrlich, transparent und faktenbasiert über Ihr Nachhaltigkeitsengagement – wir brauchen dringend gute Vorbilder und „good news“.


7. Bleiben Sie dran!
Nachhaltigkeit braucht Konsequenz und Durchhaltevermögen: Entwickeln Sie Ihr Unternehmen weiter und machen Sie Ihr Unternehmen noch nachhaltiger.


Die Autorin:

Dr. Birgit Gahleitner ist eine erfahrene Kreislaufwirtschafts- und Nachhaltigkeitsexpertin sowie ESG-Managerin mit umfassender Beratungskompetenz für Unternehmen. Zu ihren Kernkompetenzen zählen der Aufbau, die Weiterentwicklung und Validierung von Managementsystemen für Unternehmensqualität, Energie, Umwelt, Arbeitssicherheit & Gesundheitsschutz sowie Kreislaufwirtschaft.

www.birgit-gahleitner.at