04.11.2025

Roboter im Anmarsch!?

Humanoide Roboter verlassen das Reich der Science Fiction. Sie arbeiten bereits bei BMW, Mercedes und Amazon. Dort übernehmen sie monotone Aufgaben, liefern Teile oder prüfen Qualität. Internationale Analysten prognostizieren ein rasantes Marktwachstum. Ein Versuch der Einordnung zwischen Hype und Realität.

Apollo” von Apptronik im Pilotbetrieb bei Mercedes am Digital Factory Campus Berlin © Mercedes-Benz Group
Apollo” von Apptronik im Pilotbetrieb bei Mercedes am Digital Factory Campus Berlin © Mercedes-Benz Group

„Wir sind die Roboter“ sang Kraftwerk 1978. Fünf Jahre später zeugte der Song „Mr. Roboto“ von Styx vom anhaltenden Hype um humanoide Roboter. Doch „Androiden“ waren dann lange Zeit eher ein Thema für Science Fiction in Film, Kunst und Literatur. Industrieroboter, Cobots und die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz befeuern das Thema nun wieder. Angeblich stehen humanoide Roboter vor der Serienreife und erleben daher eine Renaissance.

Menschliche Form, industrielle Kraft

Tesla, SoftBank, Boston Dynamics und andere Hersteller zeigen, was möglich ist. Ihre Maschinen öffnen Türen, greifen Werkzeuge, sortieren Bauteile. Die Modelle heißen „Optimus“, „Atlas“ oder „Pepper“. Sie sehen aus wie Menschen, bewegen sich wie Menschen – und arbeiten wie Menschen. Ein Vorteil liegt in der Form. Roboter mit menschenähnlichem Körper können bestehende Werkzeuge und Maschinen nutzen. Das spart Umbauten. Besonders für kleine und mittlere Unternehmen ist das wichtig. Sie können humanoide Roboter einsetzen, ohne ihre Produktion komplett umzubauen.

Wirtschaftliches Potenzial 

Eine Studie der Industriellenvereinigung Oberösterreich zeigt: Der Markt für humanoide Robotik wächst rasant. Nach einer Umfrage von Fraunhofer Austria planen 82 Prozent der österreichischen Unternehmen weitere Investitionen in Roboter. Dabei verfügen bereits 33 Prozent der österreichischen Unternehmen über kollaborationsfähige Industrieroboter mit fortgeschritteneren Fähigkeiten als klassische Industrieroboter. Für den Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Oberösterreich, Joachim Haindl-Grutsch, sind die wirtschaftlichen Gründe eindeutig: „Steigende Personalkosten, wachsender Fachkräftemangel und der Druck, Produktivität und Qualität zu erhöhen.“

Milliardenmarkt mit Tempo

Goldman Sachs erwartet, dass der Markt für humanoide Roboter bis 2035 ein Volumen von 38 Milliarden US-Dollar erreicht. Die Analysten sehen vor allem in der Industrie großes Potenzial. Dort könnten Roboter einfache, repetitive Aufgaben übernehmen – schneller, präziser und ohne Ermüdung. Marketsandmarkets prognostiziert für 2029 ein weltweites Marktvolumen von 13,25 Milliarden US-Dollar. Die Nachfrage wird laut Studie besonders in der Logistik, im Dienstleistungsbereich und in der Medizin steigen. Ein entscheidender Faktor ist die Verfügbarkeit leistungsfähiger KI-Systeme. Noch bremsen technische Grenzen und mangelndes Bewusstsein bei Unternehmen den Einsatz. Doch das ändert sich.

Lösung für Fachkräftemangel

Morgan Stanley geht noch weiter: Für den USMarkt erwarten die Analysten bis 2040 rund acht Millionen humanoide Roboter im Einsatz. Bis 2050 könnten es sogar 63 Millionen sein. Das Marktvolumen könnte dann über fünf Billionen US-Dollar betragen. „Für den Industriestandort Oberösterreich sind diese Entwicklungen hochrelevant. Humanoide Roboter könnten in den kommenden Jahren einen Beitrag leisten, um den Fachkräftemangel abzufedern, repetitive oder gefährliche Aufgaben zu übernehmen und dabei Flexibilität und Effizienz zu erhöhen“, betont HaindlGrutsch. Auch für den CTO von PROFACTOR, Andreas Pichler, steht fest: „Obwohl humanoide Roboter derzeit noch in Entwicklung sind, werden sie langfristig eine zentrale Rolle in der Industrie spielen.“ Laut Morgan Stanley ist bis 2050 mehr als eine Milliarde humanoide Roboter im Einsatz – rund 90 Prozent davon für industrielle und kommerzielle Zwecke.

Technologie nicht ausgereift

Laut Pichler steckt die Technologie noch in den Anfängen. Aktuelle Roboter eignen sich vor allem für Pilotanwendungen in kontrollierten Umgebungen. „Viele Herausforderungen bestehen weiterhin: Laufzeiten sind begrenzt aufgrund der Energieversorgung und intensiven Wartung, die Bewegungen sind zwar beeindruckend, aber noch nicht robust genug für komplexe Produktionsumgebungen“, erklärt der PROFACTOR-CTO. Auch Kosten, Sicherheitsstandards und Praxiserfahrung im Dauerbetrieb stellen Hürden dar. Humanoide Roboter sind daher derzeit vor allem Hightech-Demonstratoren, die das Potenzial der Technologie aufzeigen, ohne dass ein breiter industrieller Einsatz möglich wäre.

Vielversprechender Pilotbetrieb

Dennoch gibt es bereits vielversprechende Pilotprojekte. „Apollo“ von Apptronik stellt bei Mercedes-Benz Bauteile bereit und übernimmt Qualitätskontrollen. BMW testet in München „Figure 02“, der bei der Montage 1.000 Teile pro Tag präzise platziert. Amazons „Digit“ vom Hersteller Agility Robotics transportiert und sortiert Pakete in Logistikzentren, ohne dass bestehende Infrastrukturen angepasst werden müssen. „Diese Beispiele zeigen, dass humanoide Roboter besonders dort sinnvoll sind, wo Aufgaben repetitiv, körperlich belastend oder monoton sind“, ist Pichler überzeugt.

Forschung als Brücke zur Praxis

Forschungsinstitute wie PROFACTOR bereiten den Boden für die nächste Generation industrieller Robotik. Das Institut arbeitet an Technologien für humanoide Plattformen – etwa Bildverarbeitung, KI-basierte Prozessoptimierung oder Mensch-Roboter-Interaktion. Das schafft die Grundlagen, damit kleine und mittlere Unternehmen humanoide Systeme später effizient und sicher einsetzen können. Dazu gehört auch die systematische Evaluierung potenzieller Anwendungen unter realen Produktionsbedingungen: Welche Aufgaben lassen sich zuverlässig automatisieren, wie können Bauteile gehandhabt und Werkzeuge präzise eingesetzt werden?

Vertrauen aufbauen

Ein weiterer Fokus liegt auf der Gestaltung sicherer und vertrauenswürdiger Mensch-Roboter-Interaktionen. PROFACTOR untersucht, welche Schnittstellen notwendig sind, damit Mitarbeitende Roboter intuitiv unterstützen oder überwachen können, und wie Vertrauen in die Zusammenarbeit entsteht. Andreas Pichler betont: „Die Ergebnisse unserer Arbeiten bilden die Basis für Standards, die später den praktischen Einsatz humanoider Roboter in KMU erleichtern und Risiken minimieren.“

Aufbau von Know-how

Darüber hinaus spielen Forschungsinstitute eine entscheidende Rolle beim Aufbau von Know-how. Sie entwickeln praxisgerechte Schulungen für Mitarbeitende, bereiten modulare Software-Stacks vor und testen Schnittstellen zu bestehenden Produktionssystemen. Pilotprojekte ermöglichen es, Roboter praxisnah zu erproben, während gleichzeitig wertvolle Daten gesammelt werden. „Auf diese Weise entsteht eine fundierte Wissensbasis, die die spätere Integration humanoider Roboter in kleine und mittlere Betriebe erheblich beschleunigt“, betont Pichler.

Roboter für den Mittelstand

„Humanoide Roboter sind weit mehr als futuristische Prototypen. Sie ermöglichen insbesondere KMU flexible Automatisierung, übernehmen repetitive und körperlich belastende Aufgaben und entlasten Mitarbeitende. Durch gezielte Forschung, praxisnahe Testprojekte und Wissenstransfer kann man die Potenziale humanoider Robotik frühzeitig nutzen und so die industrielle Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig stärken“, fasst Pichler zusammen. IV-OÖ-Geschäftsführer Haindl-Grutsch ergänzt: „Aufgrund des immer breiteren Einsatzspektrums, der sinkenden Kosten und der bevorstehenden Serienreife von humanoiden Robotern lohnt es sich daher für oberösterreichische Industriebetriebe, die Potenziale von Robotern genau im Auge zu behalten und künftige Anwendungsfelder frühzeitig zu erkennen.“

Enthusiasmus auf der Bremse

Natürlich gibt es auch Stimmen, die diese Euphorie ein wenig bremsen. Allen voran Martina Mara vom LIT Robopsychology Lab an der JKU (siehe Interview S. 7). „Ich glaube nicht, dass wir flächendeckend auf Humanoide umsteigen werden. Für viele Aufgaben sind stabile, mobile Roboter mit klassischen Greifern oder spezialisierten Endeffektoren besser geeignet“, sagt sie. Auch Claus Bretschneider, Geschäftsführer der CMB Beratung GmbH, relativiert den Enthusiasmus. Er nahm im Juni 2025 an der von der Außenwirtschaft Austria organisierten Zukunftsreise „Faszination Humanoide Roboter – Chinas Technologierevolution live erleben“ teil. Die Reise führte ihn und eine österreichische Wirtschaftsdelegation nach Shanghai und Suzhou – zwei Zentren für Forschung und Entwicklung humanoider Robotik.

Zwischen Hightech und Showeffekt

Ziel der Reise war, Potenziale für den Einsatz humanoider Roboter in der Bekleidungsindustrie zu evaluieren. Bretschneider ist beeindruckt von der Dynamik, aber auch skeptisch gegenüber dem tatsächlichen Reifegrad der gezeigten Technologien: „Die präsentierten Entwicklungen lassen erkennen, dass humanoide Roboter nicht mehr nur Zukunftsvision, sondern bald Teil unseres Alltags sein könnten.“ Gleichzeitig betont er: „Feinmotorische Arbeiten wie das Nähen sind aktuell nicht im Fokus der Entwicklungen der besichtigten Unternehmen.“

Land des Lächelns und der Gegensätze 

Die Reise offenbarte ein stark gefördertes Start-up-Ökosystem mit mehr als 3.000 Forschungsinstituten, ambitionierten Marktprognosen und einer Vielzahl an Robotiklösungen. Doch Bretschneider mahnt zur Vorsicht: „China ist das Land der Gegensätze. Innovation und simples Kopieren existieren als etablierte Systeme nebeneinander.“ Er berichtet von Diskrepanzen zwischen Präsentation und Realität: Gebäude mit drei Stockwerken wurden in Firmenvideos als Hochhäuser mit 30 Etagen dargestellt, ein benzinbetriebener Rasenmäher ersetzte den ausgestellten Mähroboter.

Zukunftsweisendes Pilotprojekt

Mittlerweile ist auch in Oberösterreich ein humanoider Roboter im Pilotbetrieb. Die FH Oberösterreich erprobt ihn am Campus Wels auf Initiative der BRP-Rotax GmbH & Co KG in einem industriellen Umfeld. Die WKOÖ sparte.industrie unterstützt das Projekt „KI & Humanoide Robotik“ in der Initiative KI*Transfer aktiv. Neben BRP-Rotax begleiten fünf weitere oberösterreichische Industriebetriebe den Prozess. Die aus dem Projekt gewonnenen Erkenntnisse werden der oberösterreichischen Industrie und beim Innovationstag der WKOÖ sparte.industrie am 12. Februar 2026 in der WKOÖ Linz präsentiert. Robotik und Automatisierung ist auch das beherrschende Thema der Zukunft.Produktion am 4. Februar 2026 in der WKOÖ Linz.

 

 

Kontaktpersonen:

Elmar Paireder, Cluster-Manager Mechatronik-Cluster, Business Upper Austria
Elmar Paireder
Cluster-Manager

Intelligent Production

elmar.paireder(at)biz-up.at