10.04.2024

Wichtigster Standortfaktor für Oberösterreichs Wirtschaft ist der Mensch

Am ersten Tag des Zukunftsforums Oberösterreich 2024 stand der wichtigste Standortfaktor für die heimische Wirtschaft im Mittelpunkt: qualifizierte Arbeitskräfte. Bei „Forum.Arbeit“ am Abend des 9. April war Thomas Fent, Forscher an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, zu Gast. Mehr als 200 Gäste sind unserer Einladung ins Oberbank Donau-Forum in Linz gefolgt. 

V. l.: Christian Altmann (Business Upper Austria), Joachim Haindl-Grutsch (IV OÖ), LR Markus Achleitner, Doris Hummer (WKOÖ), LH Thomas Stelzer, Andreas Stangl (AK OÖ), Iris Schmidt (AMS OÖ), Thomas Fent (Vienna Institute of Demography) © Roland Pelzl/cityfoto.at
V. l.: Christian Altmann (Business Upper Austria), Joachim Haindl-Grutsch (IV OÖ), LR Markus Achleitner, Doris Hummer (WKOÖ), LH Thomas Stelzer, Andreas Stangl (AK OÖ), Iris Schmidt (AMS OÖ), Thomas Fent (Vienna Institute of Demography) © Roland Pelzl/cityfoto.at

Thomas Fent vom Vienna Institute of Demography der Österreichischen Akademie der Wissenschaften machte in seinem Vortrag deutlich, dass es durch den demografischen Wandel zu einer Verschiebung der globalen Machtverhältnisse kommt. Denn die Zahl der Erwerbstätigen steigt in Niedriglohnländern wie den BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika), während sie im globalen Westen und den G7-Staaten sinkt. 
 

Früheren Berufseinstieg ermöglichen 

Fent ist skeptisch, ob die Zuwanderung den Fachkräftemangel löst: „Viel wichtiger finde ich, das vorhandene Potenzial zu nutzen.“ Er empfiehlt Österreich, ein früheres Einsteigen ins Erwerbsleben zu ermöglichen, und zwar mit einem effizienteren Bildungssystem, damit die Menschen früher mit dem Studium fertig werden: „Das würde sich auch auf die Fertilität auswirken. Kinder will man meist erst dann, wenn man die wichtigen Sachen erledigt hat – Ausbildung, Haus oder Wohnung. Wenn die Ausbildung früher abgeschlossen ist, hat man früher Zeit, ein Kind zu bekommen und kann somit auch mehr Kinder bekommen.“ Fents Schussfolgerung: Bildung und Qualifikation gewinnen an Bedeutung. Wenn die Menschen länger arbeiten sollen, wird lebenslanges Lernen immer wichtiger. Und die Digitalisierung erfordert ein höheres Bildungsniveau. „Bei der Migration ist Qualifikation der Schlüssel zur Integration in den Arbeitsmarkt“, schloss der Wissenschafter. 
 

An vielen Stellschrauben drehen 

Landeshauptmann Thomas Stelzer betonte: „Was uns als Standort stärkt, sind die Mitarbeitenden in allen Bereichen, aber es fehlen Leute. Wir brauchen viele Ideen, um diese Herausforderung zu meistern. Eine spielentscheidende Frage für den Standort wird sein, wie wir Leute von außerhalb ins Land bekommen.“ Wirtschafts-Landesrat Markus Achleitner war sich mit den meisten anderen Redner:innen einig: „Wir müssen Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren, die jetzt nicht daran teilhaben. Das ist ein Bildungsthema und daher arbeiten wir mit den Sozialpartnern daran, zu qualifizieren und zu schulen.“ 
 

Länger arbeiten und mehr Zuwanderung 

WKOÖ-Präsidentin Doris Hummer forderte weitere steuerliche Anreize für Menschen, arbeiten zu gehen, und die Zuwanderung zu erhöhen: „Ich wünsche mir ein Kontigent für Zuwanderer für die duale Ausbildung. Das ist die beste Ausbildung, die wir im Land haben – das sollen auch Zuwanderer nutzen können.“ Arbeiterkammerpräsident Andreas Stangl ergänzte: „Mitarbeiter:innen müssen die Chance haben, Feedback zu geben und mitzugestalten. Sie brauchen keinen Unternehmensberater beschäftigen – den finden Sie in der Belegschaft.“ Joachim Haindl-Grutsch, Präsident der Industriellenvereinigung OÖ, forderte vor allem Anreize, damit Menschen länger arbeiten: „Durch die Pensionswelle geht Wissen verloren. Es wird nicht ausbleiben, dass wir in Österreich in Zukunft länger arbeiten. Aktuell wird das bestraft durch zusätzliche Steuern. Das muss geändert werden.“ 
 

Weniger Teilzeit und mehr Bildung 

Bei der abschließenden Podiumsdiskussion ging Landesrat Achleitner auf den Trend zu Teilzeitarbeit ein: „Wir müssen an der Stimmung arbeiten und der jungen Generation klar machen, dass sich das gesamtvolkswirtschaftlich nicht ausgehen wird, wenn alle Teilzeit arbeiten.“ AMS-OÖ-Geschäftsführerin Iris Schmidt erläuterte, wie das AMS auf die Herausforderungen reagiert: „Es gibt eine Qualifikationslücke, die wir als AMS schließen müssen. Außerdem ist lebenslanges Lernen eine unserer Hauptaufgaben.“ Sie betonte aber auch, dass noch viel zu viele Menschen zu früh aus dem Erwerbsleben ausscheiden. „Bevor wir überhaupt über eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters sprechen können, müssen wir es schaffen, Menschen bis zum jetzigen Pensionsantrittsalter zu halten.“ 


Vorhandenes Potenzial nutzen 

Schon tagsüber widmete sich „Zukunft.Arbeit“ mit zahlreichen Vorträgen von Expert:innen dem Standortfaktor Nummer eins. Der Leiter der Statistik beim Land Oberösterreich, Michael Schöfecker, zeigte, wo es Potenzial für zusätzliche Arbeitskräfte gibt: „Zwölf Prozent der berufstätigen Männer und 58 Prozent der arbeitenden Frauen sind teilzeitbeschäftigt. Es gilt, Vollzeit zu attraktivieren.“ Er verwies außerdem darauf, dass 12.000 Jugendliche weder in Ausbildung noch im Beruf tätig sind. Auch hier schlummert Potenzial. Die Akademisierung – etwa in der Pflege – führe dazu, dass die Absolvent:innen erstens später in den Beruf einsteigen und zweitens leitende Positionen anstreben. „Sie fehlen dann in der konkreten Pflege.“ Schöfecker empfiehlt auch Arbeitszeitmodelle, die es Eltern ermöglichen, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Menschen länger im Arbeitsleben zu halten und Zuwanderung sind auch für den Statistiker Lösungen für den Fachkräftemangel. 


Digitalisierung als Teil der Lösung 

Wirtschaftshistoriker Felix Butschek meinte, die Zuwanderung sei keine einfache Lösung des Fachkräftemangels: „Die Zuwanderung erfolgt derzeit hauptsächlich über das Asylsystem und dort sind viele mit geringer Qualifikation.“ Auch Butschek sieht die Lösung darin, Menschen möglichst lang im Erwerbsleben zu halten und arbeitsfähige Menschen nicht aus dem Arbeitsmarkt zu drängen. Die meisten der Referent:innen waren sich darüber einig, dass Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Automatisierung mögliche Lösungen für den Fachkräftemangel sind. Isabella Mader von Excellence Research sagte: „Durch Unterstützung bei unproduktiven Tätigkeiten bliebe wieder Zeit für Wichtiges wie Zusammenarbeit oder Kundenkontakt. KI hat außerdem das Potenzial, Produktivität zu erhöhen.“ 


Arbeit kann gesund machen 

Dass sich der Arbeitskräftemangel auf die Gesundheit von Beschäftigten auswirkt, zeigte Helmut Stadlbauer von der Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH (IBG). „Es entsteht ein Teufelskreis aus Stress, Überlastung, geringerer Produktivität, Ausfällen und Kündigungen, die die Überlastung erneut verschärfen.“ Laut einer Studie aus Deutschland ist Homeoffice eine mögliche Lösung gegen Stress. Was Unternehmen tun können, ist für den Arbeitsmediziner klar: „Aktives betriebliches Gesundheitsmanagement, um ältere Beschäftigte länger im Betrieb zu halten.“ Stadlbauer hatte zum Abschluss eine gute Nachricht: „Arbeit kann auch gesund machen, wenn sie bewältigbar, verstehbar und sinnvoll ist.“ 

Kontaktpersonen:

Christian Mayer
Christian Mayer
Projektmanager Arbeitsmarkt & Fachkräfteservice
christian.mayer(at)biz-up.at