Klimawandel fordert die Agrarwirtschaft

Getreidetechnologietag am 21. Jänner in Wels

Veranstalter, Referenten und Teilnehmer am Getreidetechnologietag © Business Upper Austria
Veranstalter, Referenten und Teilnehmer am Getreidetechnologietag © Business Upper Austria

23.01.2020

Der Klimawandel wird gravierende Auswirkungen auf die Landwirtschaft in Österreich und damit verbunden auf die Nahrungsmittelbranche und den Grad der Selbstversorgung haben. Zu diesem Schluss kamen namhafte Experten/-innen beim Getreidetechnologietag der Lebensmittel-Cluster Oberösterreich und Niederösterreich. Einzelne Getreidesorten dürften mehr oder weniger von der Bildfläche verschwinden, andere – bisher wenig verbreitete – Saaten sind auf dem Vormarsch. Bei der landwirtschaftlichen Produktivität hat der Klimawandel negative Auswirkungen auf das Ackerland, während einige Grünflächen von der Veränderung sogar profitieren.

Der Getreidetechnologietag der Lebensmittel-Cluster Oberösterreich und Niederösterreich in der HTL für Lebensmitteltechnologie in Wels stand zwar unter dem Motto „Vom Korn zum Brösel“ – trotzdem war die zukünftige Entwicklung der Agrarwirtschaft ein zentrales Thema. Der Klimawandel wird unsere Ernährungsgewohnheiten ändern. Aus Expertensicht brauchen wir in Österreich neue Getreidesorten, die Hitze, Trockenheit und extreme Temperaturschwankungen aushalten. Verbunden mit dem veränderten Angebot an Zutaten müssen auch die Hersteller von Backwaren umdenken und die Produkte sowie die Produktion entsprechend adaptieren.

Ernährungssicherheit auf dem Prüfstand

Dr. Philipp von Gehren von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) in Wien berichtete über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Erträge bzw. die Ertragssicherheit in der Landwirtschaft. Die Pflanzenzüchtung steht vor großen Herausforderungen, die Landwirtschaft mit Sorten zu versorgen, die trotz der Auswirkungen des Klimawandels gedeihen. „Primäres Ziel muss dabei sein, die Versorgungssicherheit mit Lebens- und Futtermitteln in Österreich sicherstellen zu können“, betont Gehren. Das Projekt Klimafit, das von Saatgut Austria mit ihren Mitgliedern und der AGES durchgeführt wird, soll einen wichtigen Beitrag dazu leisten. Österreich ist aufgrund seiner Lage besonders stark vom Klimawandel betroffen. Das bekommt die Landwirtschaft, insbesondere der Pflanzenbau, deutlich zu spüren. Die Schäden durch Wetterextreme wie Sommerhitze, Kahlfrost, Trockenheit, Niederschlagsdefizit und Wind nehmen zu, ebenso ist ein vermehrtes Auftreten von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen festzustellen. Die Folge sind hohe Ertragsschwankungen bei minderer Qualität des Erntegutes. „Es bedarf Sorten, die trotz zunehmender Klimakapriolen stabile Erträge bei guten Qualitäten des Erntegutes hervorbringen“, betont der Experte.

Wie sich die Felder verändern

Sommergerste ist auf dem Rückzug. Sie wurde im Vorjahr nur mehr auf knapp 36.000 Hektar angebaut. Das ist gegenüber 2018 ein Einbruch von rund 23 Prozent oder fast 11.000 Hektar. Vor fünf Jahren wurde noch auf gut 64.000 Hektar Sommergerste angebaut. Im Kontrast dazu gibt es bei Silomais und Zuckerrüben eine Überproduktion. Zusätzlich tauchen auch immer mehr exotische Produkte auf den heimischen Anbauflächen auf. Im Burgenland gedeihen Ingwer und Artischocken prächtig und in Regionen, die einst für ein raues Klima bekannt waren, wächst Wein. Für die Ernährungssicherheit ist es nicht unbedingt förderlich, wenn einheimische Kultursaaten verschwinden und ein Wettstreit mit Landwirten aus südlichen Regionen ausbricht. „Bei Weizen, Gerste, Roggen und Körnermais kippen nach statistischen Berechnungen bis zum Jahr 2035 die Kapazitäten massiv nach unten, dass bis zu 50 Prozent der erforderlichen Menge importiert werden müssen“, betont Dr. Philipp von Gehren.

Der Natur auf die Sprünge helfen

Naheliegend wäre es daher, wenn wissenschaftliche Einrichtungen wie die Universität für Bodenkultur (BOKU) ihr Know-how einbringen, um klimaresistentere Pflanzen zu züchten. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.nat.techn. Hermann Bürstmayr hat an der BOKU eine Aufgabe mit Seltenheitswert. Er leitet das Institut für Biotechnologie in der Pflanzenproduktion. Er verwehrt sich dagegen, mit „Monsanto“ in einen Topf geworfen zu werden und sieht die EU-Regulierungen als großen Hemmschuh für die Wissenschaft der Pflanzenzüchtung. „Es muss erlaubt sein, Zuchtlinien zu finden, die gewünschte Eigenschaften haben. In der Züchterszene wird sehr viel über genomische Selektion diskutiert.  „Mit der zunehmenden Zahl an vollständig sequenzierten Kulturpflanzen wird das funktionale Testen von nahezu jedem Ziel-Gen auch in großen und komplexen Genomen möglich“, sagt Bürstmayr. Die neuen Züchtungsmethoden hätten also grundsätzlich das Potenzial, verbesserte Zustandsformen von Genen für die angewandte Weiterentwicklung von Kulturarten zu schaffen. Versuchsparzellen mit „Gräsern, die die Welt ernähren“, gibt es in Tulln und können nach Rücksprache auch von Laien besucht werden. „Das Wissen und das Methodenspektrum bei der gezielten Veränderung in Genen wachsen rasant – aber von Routine sind wir noch weit entfernt“, so Bürstmayr.

Fülle an Informationen

Auch abseits der brisanten Klimadiskussion waren die rund 150 Besucher/-innen des Getreidetechnologietages mit einer breiten Vielfalt an aktuellen Themen konfrontiert. Beim Vortrag „Digitalisierung und Technologie“ stellte Reinhard Honeder, GF Honeder Naturbackstube GmbH den „frisch gebackenen“ Lehrberuf Backtechnologie vor.

Ing. Karl Lengauer, Verkaufsingenieur der Daxner GmbH, stellte eine vollautomatische Anlage zur Herstellung von Trockenmischprodukten vor.

Der Bogen spannte sich weiter über Möglichkeiten der Vakuumtechnik bis zu den neuesten Niveaus in der Qualitätssicherung und Produktüberwachung.

Beim Themenblock Ernährung und Gesellschaft referierte die Diätologin Andrea Kasper-Füchsl über aktuelle Ernährungstrends. Prof. DI Johann Kapplmüller von der HTL für Lebensmitteltechnologie zeigte auf, dass die Reduktion von Salz auch ohne Geschmackseinbußen möglich ist.

Den Abschluss der gelungenen Veranstaltung, der auch der ORF einen umfangreichen Beitrag widmete, bildete eine Diskussion über „Food Waste“ – also die Verschwendung wertvoller Lebensmittel-Ressourcen.