Konrad Paul Liessmann über Arbeits(un)Sinn

Konrad Paul Liessmann, geboren 1953 in Villach, ist Professor am Institut für Philosophie der Universität Wien; Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. (c) Heribert Corn Zsolnay Verlag

10.01.2019

Konrad Paul Liessmann, geboren 1953 in Villach, ist Professor am Institut für Philosophie der Universität Wien, Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. Seine Theorie der Unbildung (2006) war ein großer Erfolg und wurde in viele Sprachen übersetzt. Sein aktueller Essay-Band heißt „Bildung als Provokation“ (2017). Bei der HR-Tagung 2019 wird Liessmann über Wandel und Veränderung, lernende Organisation und gesellschaftlichen Umbruch sprechen. Über die ewige Wiederkehr des Gleichen und das „Große Wozu“.

Friedrich Nietzsche nannte ihn den “unheimlichsten aller Gäste“: Den Nihilismus des modernen Menschen. Wenn Gott tot ist, so seine These, werden wir von diesem Gast heimgesucht und begegnen der “Gefahr der Gefahren“:


Das GROSSE wozu

Alles hat keinen Sinn. Deshalb ist der moderne Mensch, gleich ob in seinem privaten Leben oder in seiner Arbeit, ob als Individuum oder als Teil einer Organisation oder Gemeinschaft, immer auf der Suche nach dem Sinn. Was aber bedeutet dies: Alles hat keinen Sinn? Und ist dieser Sinnverlust tatsächlich so dramatisch, wie ihn Nietzsche darstellt?

Der Philosoph Günther Anders, einer der bedeutenden Denker und Kritiker des 20. Jahrhunderts, hielt in einem kleinen Essay mit dem Titel “Die Antiquiertheit des Sinns“ folgendes fest:

“‘Sinn haben für ...‘ bedeutet (immer): heteronom sein, Mittel für einen Zweck sein, unfrei sein.“


Und er fragte hartnäckig weiter: “Ist es wirklich so gewiss, dass Sinn-Haben ein Ehrenprädikat, und dass keinen Sinn zu haben, ein Manko ist? Läuft nicht vielleicht letztlich unsere Suche nach Sinn auf Suche nach Dienstbarkeit hinaus?“
Nur Menschen, die in einem vorgegebenen Gefüge einen ihnen zugeschriebenen Platz einnehmen und die Aufgabe haben, einfach vorgegebene Ziele zu erreichen, also zu fun ktionieren, haben in diesem Sinne einen Sinn.

Für das Leben selbst und das Dasein gäbe es nur dann einen Sinn, wenn man einen Gott annehmen wollte, der mit den Menschen etwas “im Sinn“ haben könnte. Ohne diesen Gott gibt es keine vorgeordnete Bestimmung oder Funktion des Menschen. Mit dem “Tod Gottes“ ist auch der “Tod des Sinns“ zu proklamieren - wir sind, so Anders, “Nichtgemeinte“, die “ungesteuert durch den Ozean des Seienden treiben“.

Wenn es keinen Gott mehr gibt, der unseren Sinn verbürgt, dann müssen wir diesen Sinn selbst setzen. Um im Bild zu bleiben: Wir müssen das Steuer übernehmen. Sinn und Zweck eines Menschen oder menschlicher Einrichtungen können weder gesucht noch gefunden, sie müssen gesetzt und behauptet werden. Die Freiheit des Menschen besteht gerade darin, sich die Zwecke seines Tuns selbst zu formulieren, da sie nicht vorgegeben sind. Das aber bedeutet auch, dass wir diese Zwecke vor uns und den anderen Menschen selbst zu verantworten haben.
 



>> Lesen Sie den Artikel und mehr zum Thema in der neuen Ausgabe der HR-times

>> Freuen Sie sich auf spannende Impulse von Konrad Paul Liessmann bei der HR-Tagung 2019
 


Das könnte Sie auch interessieren: