Rezepte gegen das Karriere-Vakuum

Mehrere Tische sind in U-Form aneinander gereiht. Jeder Platz ist besetzt. Vor den Teilnehmern des HR-Brunch stehen Getränke ©Business Upper Austria
Full House beim HR-Brunch: Den Vorträgen folgte eine lebhafte und kontroversielle Diskussion. ©Business Upper Austria
Selma Grössl (epunkt) und Roland Sprengseis (bluesource) sitzen am Tisch. Vor Ihnen Getränke und ihr Namensschild  ©Business Upper Austria
Selma Grössl (epunkt) und Roland Sprengseis (bluesource): „Weniger Arbeitsstunden bedeutet nicht weniger Leistung.“ ©Business Upper Austria

21.11.2022

Einst revolutionäre Benefits wie Homeoffice oder Fitnessräume sind zwar nett, spielen aber beim Recruiting immer mehr eine untergeordnete Rolle. Der am 16. November vom Human Capital Management der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria veranstaltete HR-Brunch zum Thema „Mitarbeiterbenefits“ zeigte, dass selbst die 4-Tage-Woche eine Retourkutsche sein könnte. Fazit: Bei der Suche nach qualifizierten Arbeitskräften sind Kreativität und Einfühlungsvermögen gefragt.

Lockdown, Kurzarbeit, Corona-Pass und Maskenzwang – die virale Notbremsung scheint sich in diesem Jahr nicht mehr zu wiederholen. Die Unternehmen dürfen wieder wirtschaften. Bars, Beisln, Hotels sind geöffnet und die Kinos auch. Der stotternde Motor des Arbeitsmarktes könnte wieder auf Hochtouren laufen, aber irgendwas stimmt nicht. Quer durch alle Branchen fehlen Frauen und Männer, die arbeiten möchten. Egal ob Gasthof, Industrie, Schule oder Handel – überall fehlt es an Arbeitskräften. So richtig kann dieses Phänomen niemand erklären. Auch nicht Statistiken mit der Auflistung geburtenschwacher Jahrgänge.
 

Auf der Suche nach dem richtigen Weg

Für Ursachenforschung hat die heimische Wirtschaft aber derzeit keinen Kopf. Energiekrise und Bedarf an Arbeitskräften kosten genügend Kraft, Zeit und Nerven. Beim HR-Brunch, veranstaltet und konzipiert vom Human Capital Management der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria kamen namhafte Personalist:innen und CEOs heimischer Unternehmen zu Wort. Sie präsentierten ihre Strategien bei der Suche nach Mitarbeiter:innen, sparten nicht mit Kritik an so manch bürokratischer Hürde und demonstrierten bei der anschließenden Diskussion konstruktive Uneinigkeit, welcher Pfad der richtige sei. Einen möglichen skizzierte Manfred Luger, Leiter der Abteilung Human Capital Management bei Business Upper Austria: „Anstatt automatisch nur an weitere Mitarbeiterbenefits zu denken, sollte intensiv in Führungskräfte, Weiterbildung und in das Betriebsklima investiert werden, um die Mitarbeiter:innen zu binden bzw. neue Arbeitskräfte zu finden.“
 

Von Linz nach Shenzen

Die Emporia Telecom – führender Erzeuger von Seniorenhandys – residiert in der Linzer Industriezeile. Erzeugt werden die Mobiltelefone mit integrierter Taschenlampe in der chinesischen Millionenstadt Shenzen. Nicht aus Kostengründen, sondern weil die Produktion in heimischen Gefilden eine „Mission Impossible“ wäre. „Wir würden nicht genügend Personal finden“, gesteht Emporia-CEO Eveline Pupeter. Aus ihrer Sicht wurde bei der EU-Osterweiterung vieles verschlafen, um qualifizierte Arbeitskräfte nach Österreich zu bringen. Credo der Emporia-Chefin: „Wir stellen unseren Mitarbeiter:innen die Leiter auf, finanzieren alle Aus- und Weiterbildungsangebote und legen den Grundstein für Karrieren.“ So arbeitet eine frühere Lagerarbeiterin aus der Mongolei mittlerweile in der Buchhaltung. Das nötige Rüstzeug brachte sie von ihrem Studium in der Heimatstadt Ulan-Bator mit. Von Worklife-Balance mit mehr Freizeit hält Pupeter wenig: „Die 3-Tage-Woche bringt nichts, weil in der Folgewirkung auch die Freizeitwirtschaft kollabiert. Stellen wir uns vor, dass auch Kino, Theater, Freizeitpark, Hallenbäder und andere Attraktionen nur mehr drei Tage geöffnet haben.“

 

Zitat von Pupeter Eveline von Emporia ©emporia/markuszahradnik.com
 

Schneller ans Ziel 

bluesource, aufstrebendes Unternehmen für mobile solutions, setzt auf Teambuilding, 35-Stunden-Woche, freie Zeiteinteilung und 4-Tage-Wochen in regelmäßigen Zeitabständen. „Natürlich muss die Leistung passen. Ein Marathon bleibt ein Marathon – es kommt nur darauf an, in welcher Zeit er absolviert wird“, meint CEO Roland Sprengseis. Gegenleistung der Mitarbeiter:innen: Während der Arbeit hat beispielsweise das Privathandy Sendepause. „Wenn Leerläufe im Arbeitsprozess minimiert werden, kann das notwendige Pensum in kürzerer Zeit erledigt werden. Deshalb sind auch Spitzenlöhne trotz weniger Arbeitsstunden möglich“, betont Sprengseis.
 

Motivation statt Belohnung

Statt einem Belohnungsmodus, der sich auf Dauer abnützt, gehen die Personalist:innen auf die Talente der Bewerber:innen ein. „So stellen wir sicher, dass Frauen und Männer bei uns Jobs machen, die ihnen wirklich Spaß machen“, betont Andreas Berger vom Feuerwehrausstatter Rosenberger. Investitionen in Talente seien langfristig zielführender als Benefits, an die sich die Mitarbeiter:innen rasch gewöhnt haben. Berger sieht auch Homeoffice skeptisch: „In manchen Betrieben entsteht eine Zweiklassengesellschaft, weil in einigen Abteilungen nicht daheim gearbeitet werden kann.“ Bei einem Punkt herrschte Einigkeit: „Was wir heute als Benefit anpreisen, kann schon bald zum erwarteten Standard werden, den sich Bewerber:innen von einer Firma erhoffen. Vor allem junge Bewerber:innen wissen meist genau was sie wollen – vor allem interessante Aufgaben, die auch Sinn machen“, sagt Andreas Edlinger von Fronius International. Selma Grössl, Personalchefin beim Linzer Personaldienstleister epunkt, setzt ebenfalls auf eine 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich: „Das kann Sinn machen, um die Leistung und die Motivation zu erhöhen.“ Zeitmodellen mit zehn bis zwölf Arbeitsstunden an drei oder vier Tagen steht die Expertin kritisch gegenüber: „Das ergibt für mich keinen Sinn, weil die Belastung zu hoch wird.“

Zitat von Berger Andreas/ Firma Rosenbauer ©Rosenbauer


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