14.09.2021
Resilienz beschreibt Anpassungsfähigkeit, vereint Gegensätze und zeigt Persönlichkeitsstruktur oder Flexibilität eines Menschen. Wie HR die Resilienz in Unternehmen stärken kann, diskutierten Expert*innen aus Forschung und Wirtschaft bei der Tagung „HR Connect(s)“ vom 9. bis 10. September 2021 in der Bruckneruniversität in Linz. Rund 150 Besucherinnen und Besucher kamen zu dieser hochkarätigen Veranstaltung, die von der Abteilung Human Capital Management der oö. Standortagentur Business Upper Austria organisiert wurde.
Die vergangenen Monate haben deutlich gezeigt, wie wichtig es für Unternehmen ist, schnell auf unerwartete Situationen zu reagieren. Resiliente Organisationen sind anpassungsfähig, lernen aus Krisen und sehen sie als Chance für Weiterentwicklung. Sebastian Mauritz, einer der führenden Resilienz-Experten Deutschlands, sprach in seiner Keynote über individuelle und Team-Resilienz in Organisationen. „Entscheidend ist, ob mein Gehirn die Lösungsfindung aktiviert und ich aus der Situation lerne oder ich mit sehr viel Stress reagiere. Resilienz kann mir helfen, durch die Türe des Lernens und des Wachstums zu gehen“, betont Mauritz. Sein Tipp für Führungskräfte: Sie sollen Mitarbeiter*innen fragen „Wie möchtest du von mir wertgeschätzt werden?“ und „Was brauchst du, damit es dir gut geht?“
Eine der Sessions widmete sich der zentralen Frage, wie sich die Corona-Pandemie auf unser psychisches Befinden auswirkt und welche Rolle Resilienz dabei spielt. Dabei kamen Mag. Anneliese Aschauer-Pischlöger und Dr. Peter Hofer (IGEMO KG) in einer Studie zu Ergebnissen, die die Alarmglocken schrillen lassen. Das psychische Befinden hat sich vor allem zwischen Welle 2 und 3 in fast allen Bereichen verschlechtert. Nach dem zweiten Lockdown gaben 65 Prozent der Personen an, psychische Symptome (vor allem Erschöpfung) zu haben. Bei Frauen hat sich das psychische Befinden signifikant stärker verschlechtert als bei Männern. Ältere Menschen haben ein besseres psychisches Befinden und Menschen mit hoher Resilienz kommen mit der Coronakrise besser zurecht. Die Schlussfolgerung der Expert*innen: „Man darf das Bedürfnis nach zwischenmenschlichen Kontakten und Nähe nicht unterschätzen. 93 Prozent der Befragten betonten, Beziehungen seien eine Kraftquelle in der Krise.“ Bleibt die Frage: Wie schaffe ich den Balanceakt, leistungsfähig sein und zu bleiben und für mich selbst sorgen? „Hier haben Führungskräfte eine Vorbildwirkung – sie sind Kulturbildner für Teams.“
Golfprofi Nadine Rass kämpft täglich gegen viele geistige Feinde, die an der Leistungsfähigkeit zerren: Erfolgsdruck, Versagensangst oder Imageverlust. Enormer Stress sorgt für Grübelei und wirft viele Fragen auf: Von Außenstehenden wird man oft bestaunt und als erfolgreich wahrgenommen, aber wie fühlt es sich für einen selbst an? Ist das wahr und echt, ist man gesund, stark und glücklich? Glück bedeutet nicht, von allem das Beste zu haben, sondern aus allem das Beste zu machen. Mentale Tools vertiefen die Konzentration, geben Mut und helfen mit Druck besser umzugehen. „Hören Sie auf, Bewegung zu verstehen und fangen Sie an, sich aktiv zu bewegen. Mentale und körperliche Gesundheit sind das Fundament, um im schnelllebigen Digitalisierungszeitalter mitzuhalten und in Balance zu bleiben“ sagt die Profisportlerin.
Einer der weltweit führenden Hersteller für Flugzeugteile im Leichtbauverfahren zu sein, ist während einer Pandemie eine undankbare Aufgabe. Der Markt brach ein, die Umsätze ebenfalls und die Zukunftsaussichten sind nach wie vor eher trüb. Dr. Georg Horacek von der FACC Operations GmbH gab in seinem Vortrag exklusive Einblicke, wie das Unternehmen die Krise durch eine Neuausrichtung und Restrukturierung überstehen konnte. „Wenn wir wo gut sind, ist es im Krisenmanagement“, betont Horacek. Kurzarbeit sorgt aus seiner Sicht nur geringfügig für Einsparungen. „Das Arbeitsmarkt-Instrument dient primär dazu, gute Leute im Betrieb zu halten.“ Das Unternehmen sei trotzdem in die missliche Lage geraten, Personal einzusparen. 700 Mitarbeiter*innen mussten FACC verlassen – viele von ihnen fanden aber rasch wieder einen Job. Bei den Entlassungsgesprächen rät Horacek zu einer klaren Vorgangsweise: „Niemals eine Diskussion auf die persönliche Ebene verlagern, warum eine andere Kollegin oder ein anderer Kollege bleiben darf. Leistung und Qualifikation sind die gültigen Parameter.“ Symbolik spielt bei Maßnahmen immer eine Rolle: Sommerfest ausfallen lassen – nicht, weil es das große Geld ist, sondern weil es dann heißt „dafür habt ihr also schon Geld“. Gleichzeitig gilt es zu überlegen: „Wie kannst du wieder Perspektive geben und die Leute motivieren“, bekräftigt Horacek.
Die Unternehmensberaterin Dr. Annette Gebauer hält es für dringend notwendig, sich rechtzeitig für den Ernstfall zu rüsten. „In der Krise ist keine Zeit, Resilienz aufzubauen, das muss vorher passiert sein. Es muss ein proaktives Investment sein, wenn die Zeiten gut sind, nicht in der Krise. Das ist wichtig, um für die nächste Krise gestählt zu sein.“ Die Expertin präzisierte, wie kollektives Fitnesstraining im Umgang mit Unerwartetem aussehen kann, welche Fallstricke zu berücksichtigen sind und wie man diesen begegnen kann: „Jegliche Form der Vorerfahrung hilft, gut durch die Krise zu kommen. Das bedeutet: es braucht kontinuierliches Investment in diese Fähigkeiten der Resilienz.“
„Ein Start-up ist per se ein Unternehmen im Krisenmodus“, lautet das Credo von David Kitzmüller. Er ist Co-Founder und CEO von OKTAV GmbH. Das selbstdefinierte „Spotify für Musiknoten“ hat die Mission, Menschen für Spaß am Instrument zu gewinnen, musikalische Träume und einen Fortschritt in Richtung Perfektion zu ermöglichen – und das möglichst im eigenen Wohnzimmer. Netzwerk ist ein entscheidender Faktor bei einem Start-up, überlebenswichtig sind allerdings Ressourcen, die Resilienz begünstigen. Der Schlüssel zum Erfolg ist das Team, weil für externe Profis auch die finanziellen Mittel fehlen. „Man lernt im Start-up mit Herausforderungen umzugehen, gemeinsame Erfolge müssen gefeiert werden. Als Gründer muss man zusätzlich abseits des Business einen Ausgleich schaffen, um nicht in ein Burnout zu geraten“, sagt Kitzmüller.
Mag. Gerhard Filzwieser, Inhaber und Geschäftsführer der Industrietechnik Filzwieser GmbH, sieht sich selbst als Lotse seines Unternehmens und schreckt auch als Kapitän – bildlich gesprochen – vor Meuterei nicht zurück. Er sieht sich als Energiehalter für die „Wurzeln & Flügeln“ einer Organisation, die auf Eigenverantwortung und Selbstorganisation anstelle von Hierarchie setzt. „Ich bin Impulsgeber, Unbequem-Denker und nicht zuletzt ein Mensch, der immer Herz, Ohren und Augen für seine Kollegin*innen hat“, betont Filzwieser. Aus seinen künstlerischen Aktivitäten entwickelt er auch neue Sichtweisen für die Unternehmenskultur.
Die nächste HR Connect(s) findet unter dem Motto „Collaboration ´til 2030“ vom 15. bis 16. September 2022 in der Bruckneruniversität in Linz statt.
Ausgehend vom Zukunftsziel im Jahr 2030 soll ein inhaltlicher Rückweg zum Ausgangspunkt skizziert werden. Thematische Schwerpunkte: Teilzeitführungskräfte, Teamwork, virtuelle/ortsunabhängige Zusammenarbeit. Auf der Agenda stehen auch Vorträge und Sessions über interkulturelle sowie unternehmensübergreifende Kooperation.
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